Dankbarkeit

Heute denke ich in meiner Kolumne "Mein Alltag in Weißblau" über die Bedeutung von Dankbarkeit im Alltag und in der Achtsamkeitspraxis, trotz der Herausforderungen und Krisen der modernen Welt nach.

Unser verstorbener Kaiser Franz soll auf dem absoluten Höhepunkt seiner Popularität einen Zwischenstopp in einer Kirche gemacht haben. Für was er gebetet hätte, wurde er gefragt. Doch der Kaiser lächelte nur lichtgestalterisch und sagte: “Ich bete für nichts mehr. Ich bedanke mich nur noch.” Sicherlich, diesen Grad der Erleuchtung habe ich noch nicht erreicht. Aber ich denke oft und gerne an diese Anekdote, wenn mich mein Alltag wieder wurmt. Denn einen Grund, um dankbar zu sein, findet man immer. Egal, ob man sich bewusst macht, dass wir schönes Wetter haben. Oder man gerade bumperlgesund ist. Oder man sich eingesteht, dass ein in Bayern leben Dürfender mit Dach über dem Kopf, fahrbarem Untersatz und geregeltem Einkommen mehr als einen Grund hat, um aufrichtig dankbar zu sein. Wer sich schon mal mit Themen wie Achtsamkeit oder Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen durfte oder musste, dem wird aufgefallen sein, welche zentrale Rolle darin Dankbarkeit spielt. Jede Meditation, jede Achtsamkeits-Übung landet früher oder später bei der Dankbarkeit. Manche sind jetzt dankbar, dass sie sowas noch nie gemacht haben. Mir selber tut es immer gut. Denn, wer sich im Großen und im Kleinen bewusst ist, wie viel wir tatsächlich haben und wie viel in jedem Leben trotz allem auch gut läuft, der ist gelassener, wenn nicht sogar glücklicher. Doch dann atmet man nach der Dankbarkeits-Meditation entspannt aus und macht die Augen auf. Und liest Wahlprognosen, schaut Nachrichten und hat das Gefühl, dass es mit dem ganzen Land grabenbach geht und alles nur noch Krise ist. Wie passt denn das zusammen, dass es uns gleichzeitig so gut geht wie noch nie und die Unzufriedenheit und Wut auf die Politik ebenfalls Höchststände erreicht hat? Ich stelle mir dann vor, wie die Wutbürger, AfD-Wähler und empörten Bauern gemeinsam im Schneidersitz in der Wiese sitzen und sinnieren, was im Land alles gut läuft und für was sie dankbar sein dürfen. Ich denke dann immer an “Life of Brian” und die rhetorische Frage der Volksfront von Judäa: “Was haben die Römer jemals für uns gemacht?” Und wie die Feinde der Römer aufzählen: “Die Medizin! Die sanitären Einrichtungen! Das Schulwesen! Die öffentliche Ordnung! Die Straßen! Den Frieden…” Vielleicht macht die Dankbarkeit für das, was wir bereits haben, unser Land keinen Deut besser. Aber es macht uns selber deutlich entspannter.

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