Der Walfisch vom Chiemsee

Eine Gutenachtgeschichte

Gutenachtgeschichte über einen Walfisch
Bernhard Straßer - Der Wal vom Chiemsee

Gutenachtgeschichte über ein Abenteuer auf dem stolzen Segelschiff 'Franka - Bianca'. Eine Kurzgeschichte für Kinder über Mut, das Unbekannte und einen entscheidenden Moment, der die Walfänger von Chiemsee lehrte, die Natur zu respektieren. Die Geschichte über die letzte Fahrt, die in die Geschichtsbücher einging und warum die Legenden des Sees noch heute in den Wirtshäusern von Prien zum Leben erweckt werden. Macht euch bereit für eine Reise, die zeigt, wie ein einziger Wal die Herzen und den Kurs der mutigen Seeleute für immer veränderte.

Eine Abenteuergeschichte vom Chiemsee

Walfänger, das waren wir. Über Jahre hinweg befuhren wir den Chiemsee und erlebten die tollsten Abenteuer, die noch heute so manche durchzechte Nacht in den Priener Wirtshäusern füllt. Die meisten der Geschichten habe ich schon vergessen. So manche allerdings wird für immer in meiner Erinnerung bleiben. Zum Beispiel die, wie unser stolzes Segelschiff, Franka - Bianca schließlich auf unserer letzten Fahrt sank.

Es war ein nebliger Sonntagmorgen. Etwa sechs Uhr. Die Luft war feucht und diesig. Gespenstische Nebelschwaden glitten über den Chiemsee. Man konnte noch keine halbe Seemeile weit sehen. Backbord zeugten dunkle Flecken in der Nebelsuppe davon, dass wir uns nahe der Herreninsel befanden. Es war absolut windstill, wir glitten wie ein Geisterschiff über die glatte Chiemseeoberfläche. Sepp war es, der als Erstes das Schnauben des Pottwals hörte. Es war das klassische Prusten des Wales, wenn er ausatmete und eine gewaltige Wasserfontäne nach oben spie. Wir hörten den Wal, doch so sehr wir unsere Augen auch anstrengten, wir konnten nichts sehen. Unruhe machte sich in der Mannschaft breit. 

Hans befahl, die Boote zu Wasser zu lassen. Es sei noch zu früh am Morgen, mahnte ich. Doch Hans ließ sich nichts sagen. Er wusste so gut wie auch ich, dass wir es mit einem gewaltigen Kaliber eines Wales zu tun hatten. Selten hatte sich das Ausatmen eines Wales in ein so dröhnendes Donnern verwandelt. Kaum waren die Boote bemannt, war es auch schon wieder still.  Nichts war mehr zu hören. War der Wal untergetaucht? Mir war es nicht geheuer, das Tier schien mit uns zu spielen. Die bereits aufgegangene Sonne stieg immer höher und die Strahlen zersetzten langsam den Nebel. Die Sicht wurde klarer. Auf der einen Seite lag das verschlafene Prien wie immer faul und träge am Strand des Chiemsees, auf der anderen streckte sich das Königsschloss in der Morgensonne. Plötzlich schrie Sepp auf. Er deutete gen Backbord. Begleitet von einem rollenden Donner schoss eine ungeheuerliche Fontäne mehrere Dutzend Meter in die Luft. Dann sahen wir ihn. Der graue Riese zeigte seinen Buckel, erhob drohend seine Hinterflosse. Das Boot, in dem Hans saß, steuerte geradewegs auf das Ungetüm zu, Harpunen schossen durch die Luft. Gezielt bohrten sie sich in den Leviathan hinein, Blut spritzte. Dann geschah das Ungeheuerliche. Der Wal wendete und schoss, das Boot von Hans Mannschaft im Schlepptau, mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit auf unser Segelschiff zu. Er griff unser Boot an. Mit voller Wucht prallte das Tier gegen unsere Kehrseite und schlug ein gewaltiges Leck in den Bug. Die Franka Bianca sank sofort innerhalb von zehn Minuten. Dem Wal gelang es, sich von den Harpunen zu befreien, und verschwand in den Tiefen des Chiemsees. Hans und auch der Rest unserer Mannschaft kamen mit einem Schock davon. 

Wissend, dass uns damals das Leben geschenkt worden war, beendeten wir damals den Walfang auf dem Chiemsee. Und bis heute, das werden Dir alle bestätigen, hat man auf dem Chiemsee weder Wal noch einen Walfänger jemals mehr gesehen.

 

Ende

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