Das Corona-Tagebuch Tag 7 - Das Jahr der ersten Male

Das Jahr 2020 fühlt sich für uns alle wie das „Corona-Jahr“ an. Aber vermutlich werden spätere Generationen einmal zurückblicken und das Jahr als den endgültigen Beginn des digitalen Zeitalters einordnen. Auch unsere Familie wurde mehr oder weniger freiwillig aus der Komfortzone gedrängt und musste auf Digitalisierung umstellen. Sei es das Homeschooling via App, das Yoga-Studio meiner Frau, das über Wochen komplett auf Digital umstellen musste oder meine Arbeit, die dabei ist, sich ebenfalls extrem zu wandeln. Es ist das Jahr der ersten Male!

Derzeit nehmen wir als Eltern eines Schulkindes an einer Umfrage teil, wie das Homeschooling während des ersten Lockdowns funktioniert hat. Leider mussten wir eine sehr schlechte Beurteilung ausstellen. Wenn das modernste Medium, das zur Distanz-Beschulung der Schüler/innen verwendet wurde, die Email ist, fühlt es sich eher nach 1999 an, als nach 2020. Natürlich weiß ich, dass das Homeschooling von vielen älteren Kindern an anderen Schulen besser funktioniert hat. Aber das hilft uns rückwirkend auch nichts. Auf der positiven Seite ist die Umfrage ein gutes Zeichen, dass es künftig besser wird. So nach dem Motto „Aus Fehlern lernt man – wir haben 2020 viel gelernt!“

Heute war ich als Berufsberater erstmals seit dem BGL-Lockdown wieder an einer Schule. Aufgefallen ist mir, dass in allen Räumen strenge Maskenpflicht herrschte. Auch während des Unterrichts. Was auch für mich bedeutete, dass ich ein erstes Mal zwei Stunden mit Maske unterrichtete. Es funktionierte überraschend gut. Was ich heute ebenfalls ein erstes Mal testete, war, wie gut es funktioniert, den Schüler/innen die Informationsmöglichkeiten des BiZ näherzubringen. Da das Berufsinformationszentrum weiter geschlossen ist, mussten wir die Berufsorientierung kurzerhand in den PC-Raum der Schule verlegen. Natürlich ist eine Busfahrt nach Traunstein ins BiZ nicht ersetzbar. Aber dank der Digitalisierung können die Schüler/innen sich online ähnlich gut über Berufe informieren. Die digitalen Informationsmöglichkeiten habe ich Euch übrigens hier zum Download bereitgestellt.

Als ich später mein Kindergartenkind abholte, bot sich mir ein göttliches Bild. Der Kindergartenraum war abgedunkelt. Die Kinder lagen auf Matten am Boden und waren ganz ruhig. Aus einem Lautsprecher erklang eine beruhigende Stimme. Leo tauchte mit Schlafzimmerblick auf und rieb sich die Augen. „Was macht ihr denn da?“, fragte ich erstaunt. Leo schaute mich an, als hätte ich ihn etwas völlig Absurdes gefragt. „Entspannung!“ antwortete er.

Auch eine Abhol-Mama, die daneben stand, musste lachen. Ja, so weit sind wir jetzt schon. In unserer hektischen Zeit müssen nun sogar die Kindergartenkinder meditieren und Entspannungsübungen durchführen, damit sie vom volatilen Alltag (mit uns Eltern) entschleunigen können.

Ein wenig Entschleunigung würde uns Erwachsenen auch guttun. Und den ganzen Statistikkurven, die wir seit Wochen beobachten, auch. Traunstein ist seit heute offiziell dunkelrot. Die 7-Tages-Inzidenz liegt bei 105. (BGL sinkt auf 236). Entscheidender ist aber die Krankenhausbelegung. Traunstein bleibt stabil bei 9 (2 auf Intensiv). BGL steigt auf 18 Covid-19 Patienten (2 auf Intensiv)

Da auch deutschlandweit die Zahl der belegten Intensivbetten steigt, hier noch einmal zur Erinnerung, warum das Virus nicht mit der normalen Influenza vergleichbar ist: Durch die exponentielle Ausbreitungsgeschwindigkeit kann es dem Virus trotz geringer Letalität in kurzer Zeit gelingen, eine hohe Anzahl von Menschen gleichzeitig mit Covid-19 erkranken zu lassen. Sollten Betten und Pflegekräfte knapp werden, steigt gleichzeitig die Letalität. Und das ist es, was unsere Gesellschaft (nicht nur unsere Regierung) verhindern will.

Noch ein paar Denkanstöße des Philosophen Yuval Noah Harari: Er erzählt im gestern erwähnten Podcast, wie erleichtert und überrascht er anfangs war, dass es sich beim Coronavirus nicht um „the big one“ handelte, also einer lange Zeit prophezeite Pandemie eines tödlichen Virus wie Ebola oder Aids. Gleichzeitig beschreibt er fasziniert, wie die Auswirkungen des Virus dennoch ausreichten, dass die überwiegende Mehrheit aller Regierungen – egal ob demokratisch, autokratisch oder diktatorisch – durchgängig dieselben Mittel zur Bekämpfung wählten: Lockdown und damit Schädigung der eigenen Wirtschaft. Noch ein interessanter Gedanke: Der Philosoph beschreibt, wie einige Politiker wie Orban und Netanjahu die Virenkrise für sich zu nutzen versuchten, um die demokratischen Institutionen auszuhebeln und die eigene Macht zu sichern. Wer es nicht getan hat, war Donald Trump.

 

Aber ich schweife ein wenig ab. Während ich das schreibe, schreit und tobt und stampft ein völlig außer Rand und Band geratener Fünfjähriger. Jetzt, da ich beim Thema Donald Trump angelangt bin, fällt mir erst die Ähnlichkeit auf. Bevor auch meine Leser, die sich mehr auf Telegram denn dem Zeit-Magazin informieren, ebenfalls stampfen und schimpfen, beende ich das Elterntagebuch für heute. Gute Nacht!

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