Der verfluchte Smiley

Eine Gruselgeschichte für Kinder und junge Erwachsene

Der Finstermann von Kirchanschöring

 Eine vielleicht wahre Gruselgeschichte. Auf einer Autofahrt in einer regnerischen Herbstnacht erlebt ein Teenager, wie der Horror seiner größten Ängste mit einem Mal unheimliche Wirklichkeit wird. 

Jetzt noch mit den Fußballern eine Halbe zu trinken, sei eher keine gute Idee, dachte er. Er wusste ja, wie das endet. Statt bei Schönramer Bier und Schafkopfen im Vereinsheim zu versumpfen, stieg er nach dem Training gleich in sein Auto. Daheim im Dorf war an diesem Abend nichts los und er wollte noch in die Nachbarstadt, um sich dort mit Freunden zu treffen. Er hatte das vergangene Jahr als Austauschschüler in den USA verbracht und war gerade dabei, die alten Freundschaften aufzufrischen. Immer wieder musste er daran denken, dass am Tag vor seinem Rückflug eine alte Indianerin vor der Haustür seiner Gasteltern gestanden sei. Er hatte keine Ahnung, wer sie gewesen war. Aber sie überreichte ihm ein Abschiedsgeschenk. Irgendetwas Rundes. „Dieser Talisman wird dir nie erträumtes Glück nach deiner Heimkehr bescheren“, sagte die alte Indianerin kryptisch. „Aber ein einziges Mal auch würde sie ihm Angst und Verderbnis bereiten.“ Ehe er etwas erwidern und fragen konnte, wer sie sei, war die Indianerin verschwunden. In dem Geschenk fand er ein kleines Holzkistchen vor. Es roch recht streng und modrig. In dem Kästchen lag – als er das sah, musste er lächeln – eine faustgroße gelbe Kugel mit einem unten eingebohrten schmalen Loch und einem aufgedruckten Smiley. Für was sollte das denn gut sein?

Das war inzwischen drei Monate her und er hatte nie wieder an diesen Vorfall gedacht. Wo war der Smiley eigentlich abgeblieben? Es war herbstlich geworden und für diese Zeit schon recht dunkel, als er in seinem rostigen Renault 19 den Zündschlüssel drehte. Schon den ganzen Tag regnete es in Strömen, der Scheibenwischer hetzte nervös nach links und rechts und er drehte die Heizung auf Anschlag. Er war etwas nervös. Den Führerschein hatte er erst vor wenigen Monaten während seines Auslandsjahres in den USA gemacht. Die Gangschaltung und er waren nie dicke Freunde geworden. Seit seiner Rückkehr aus den USA war er noch nie eine längere Strecke alleine mit dem Auto gefahren. Und ausgerechnet diese Strecke führte durch dichte Wälder und ein Moor. Hatte er eigentlich noch genug Benzin im Tank? Obwohl der Regen immer stärker wurde, schlug er schließlich alle Bedenken in den Wind, legte den ersten Gang ein und holperte ruckelnd los. Raus aus dem Sportgelände, raus aus dem Ort. Ah, die Handbremse ist noch drin. Jetzt ging es besser. Es stürmte immer mehr und der Regen peitschte an die Windschutzscheibe. Der Scheibenwischer arbeite emsig hin und her in rasendem Takt. Verschwommene Landschaften zogen draußen vorbei. Es wurde wieder wärmer im Auto, die Heizung arbeitete auf Hochtouren und im Radio lief ein „Zombie“ von den Cranberries. Noch immer hatte er ein mulmiges Gefühl. Die Landschaft vor ihm war unscharf zu erkennen, der Scheinwerfer tastete sich unsicher durch das Dunkel. Als würde eine unsichtbare Hand vom Rücksitz nach seinem Nacken greifen, lief ihm plötzlich ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ist da noch wer im Wagen? Er schaute in den Rückspiegel. Nichts. Nichts außer dem Lichtkegel dieses anderen Autos, das ihm seit einiger Zeit schon folgte.

Der Regen nahm noch einmal zu und Wassermassen liefen am Fenster herunter. Der Scheibenwischer tobte, warf sich energisch hin und her zerteilte den Bach, der die Scheibe hinunter rann. Pechschwarze Bäume rasten im gelben Scheinwerferlicht vorbei. Er drückte sachte aufs Gas, wurde schneller, als könne man diesem dunklen Gefühl, das mit ihm Auto saß, so entkommen. Die Reifen zerschnitten hoch auftosende Wassermassen, die sich auf der Straße sammelten. Kurz geriet der Wagen ins Schlingern. Er gab noch mehr Gas, nur weg, weg aus dieser gottverlassenen Gegend, raus aus dem Moor.

Das Licht hinter ihm, war verschwunden. Er war alleine auf der Straße. Das Radio knisterte sonderbar, der Empfang wurde schlechter. Und brach auf einmal ganz ab. Mit schweißnassen Händen umklammerte er das Lenkrad. Was war das?

Mit weit aufgerissenen Augen lauschte er in das Autodröhnen und den peitschenden Regen. War das ein Klopfen? Er horchte angestrengt. Nein, er musste sich getäuscht haben. Er drückte das Gaspedal noch ein wenig tiefer. Er wollte nur noch raus aus dem Moor. Da war es wieder. Jetzt hörte er es ganz deutlich. Er raste, sämtliche Sinne auf Anschlag angespannt, weiter durch die Nacht. Bum, bum, bum. Es war nicht mehr zu verleugnen. Ein energisches, aggressives, lautes Klopfen. Direkt auf dem Dach. Er hielt den Atem an. Sein Herz pochte immer lauter, die Gedanken überschlugen sich. Jemand saß auf dem Dach. Da war jemand auf dem Dach! Es klopfte erneut, diesmal länger, noch lauter. Wütend, tobend. Verdammt, da will jemand rein! Jemand ist da oben und will rein! Was sollte er machen? Noch schneller fahren? Langsamer werden? Vollbremsung? Er nahm den Fuß vom Gas.

Wieder hämmerte der Fremde oben auf das Dach. „Wer ist da?“, brüllte er. Keine Antwort. Oder doch? Einen Augenblick lang meinte er, aus den Augenwinkeln am Fenster der Beifahrertür etwas gesehen zu haben. Eine Hand? „Was willst du?“, schrie er und verriss dabei das Lenkrad. Das Auto schlingerte nach links und rechts, das Klopfen auf dem Dach wurde heftiger. Als er das Auto wieder in der Spur hatte, hatte es aufgehört.

Endlich war er aus dem Moor heraus. Der Tacho zeigte Achtzig. Oben blieb es ruhig. War der Typ runtergefallen? Im Rückspiegel war nur schwarze Straße zu sehen.

Aus der Ferne sah er schon die Lichter der Stadt. Was auch immer das auf dem Dach war, es hatte sich beruhigt. Immer noch zitternd, fuhr er bei der Norma auf den Parkplatz und blieb stehen. Er atmete tief aus, versuchte sein rasendes Herz etwas zu beruhigen. Dann zog er am Türgriff und öffnete die Fahrertür. Seine Finger zitterten. Mit einem Satz sprang er aus dem Auto und ging hinter dem daneben parkenden Auto in Deckung. Vorsichtig lugte er hinter der Kühlerhaube auf seinen Renault. Am Dach des Autos saß…

Niemand.

Aber etwas war anders. Die Autoantenne war seltsam. Etwas großes, rundes steckte auf der Spitze der Antenne. Das war sicher seine Schwester gewesen, dachte er. Vorsichtig näherte er sich seinem Auto und begutachtete die Kugel, die jemand auf seine Antenne gesteckt hatte. Eine Kugel, die schwer genug war, dass sie das Klopfgeräusch verursacht haben könnte. Als er erkannte, was es war, blieb ihm der Mund offen stehen.

Es war eine faustgroße gelbe Kugel mit einem aufgedruckten Smiley-Gesicht.


Noch eine Gruselgeschichte:

Finstermann_von_Kirchanschoering
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Mögliche Interpretation der Kurzgeschichte:

"Der verfluchte Smiley – Der Finstermann von Kirchanschöring" ist eine packende Gruselgeschichte, die sich an Kinder und junge Erwachsene richtet. Sie vereint Elemente traditioneller Schauergeschichten mit modernen Motiven und schafft eine Atmosphäre, die sowohl fasziniert als auch ängstigt. Die Geschichte ist reich an symbolischen Elementen und thematischen Schichten, die eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Text ermöglichen.

 

Im Zentrum der Geschichte steht ein Teenager, der nach einem Austauschjahr in den USA in sein Heimatdorf zurückkehrt. Diese Rückkehr symbolisiert nicht nur eine räumliche, sondern auch eine emotionale Heimkehr – eine Rückkehr zu den Wurzeln und eine Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit und Identität. Der Protagonist ist an einem Übergangspunkt in seinem Leben, was durch die Schwelle des Erwachsenwerdens und die damit verbundenen Unsicherheiten und Ängste verstärkt wird.

 

Die Begegnung mit der alten Indianerin und der Erhalt des Talismans in Form eines Smileys sind Schlüsselmomente der Geschichte. Sie repräsentieren das Eindringen des Übernatürlichen in die Alltagswelt. Der Smiley, ein universelles Symbol des Glücks und der Freude, wird hier zum Träger einer doppeldeutigen und ominösen Botschaft – er soll dem Teenager sowohl Glück als auch Schrecken bringen. Dieser Gegensatz spiegelt die Dualität des Lebens und die Ambivalenz des Schicksals wider.

 

Die Autofahrt durch die regnerische Nacht bildet den Hauptteil der Erzählung und ist gekennzeichnet durch eine steigende Spannung. Die dunkle, stürmische Nacht, der Regen und die abgelegene Straße durch das Moor schaffen eine klassische Horrorkulisse. Diese Elemente erzeugen ein Gefühl der Isolation und Verlorenheit, verstärkt durch die innere Unsicherheit des Protagonisten. Seine Fahrt wird zur Metapher einer inneren Reise, einer Konfrontation mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten.

 

Das Klopfen auf dem Dach des Autos, das der Teenager wahrnimmt, ist ein weiteres zentrales Motiv. Es symbolisiert die unmittelbare Bedrohung und die Konfrontation mit dem Unbekannten. Die Tatsache, dass diese Bedrohung unsichtbar bleibt, spielt mit der menschlichen Angst vor dem Unbekannten und Unkontrollierbaren. Das Klopfen könnte als Manifestation der inneren Ängste des Protagonisten interpretiert werden, eine Projektion seiner Unsicherheit und seiner inneren Dämonen.

 

Die Auflösung der Geschichte, bei der sich herausstellt, dass der Smiley die Ursache des Klopfens war, wirft die Frage nach der Realität und Einbildung auf. War die Bedrohung real oder nur ein Produkt seiner Fantasie? Diese Ambiguität lässt den Leser über die Grenzen zwischen Realität und Einbildung nachdenken. Es zeigt, wie Ängste und Vorstellungen die Wahrnehmung der Realität beeinflussen können.

 

Insgesamt ist "Der verfluchte Smiley – Der Finstermann von Kirchanschöring" eine Geschichte, die mit den Ängsten und Vorstellungen des Lesers spielt. Sie verbindet das Alltägliche mit dem Übernatürlichen und schafft so eine unheimliche und faszinierende Welt. Durch ihre symbolischen Elemente und die thematische Vielschichtigkeit bietet die Geschichte Raum für verschiedene Interpretationen und lädt zur Reflexion über Ängste, Identität und die Grenzen der Realität ein.

 

"Der verfluchte Smiley" ist eine eindringliche Gruselgeschichte, die gekonnt mit der Ambiguität zwischen Realität und Einbildung spielt. Sie regt zur Reflexion über innere Ängste an und illustriert, wie unsere Vorstellungen die Wahrnehmung der Realität beeinflussen können.

 

Dein Kommentar:

Kommentare: 5
  • #5

    Bernhard Straßer (Samstag, 25 März 2023 19:24)

    Wie witzig, wenn mir jemand mit 18 gesagt hätte, dass dieser Text, den ich damals geschrieben habe, einmal in der Schule gelesen wird, wäre ich wahrscheinlich ausgeflippt vor Freude : )

  • #4

    Sophie (Montag, 20 März 2023 10:33)

    Muss den Text gerade im Deutschunterricht durchlesen und Sachen dazu erarbeiten. Also muss ja schon gut sein, wenn meine Lehrerin sich das aussucht.

  • #3

    jJQaBOcg (Dienstag, 27 September 2022 03:28)

    1

  • #2

    Joe (Sonntag, 10 April 2022 11:09)

    Die Geschichte hat mich echt gepackt...

  • #1

    B (Dienstag, 14 Dezember 2021 17:10)

    B