Beim Berufsberater

Kurzgeschichte über Berufswahl

Wolfgang muss sich mit seiner Berufswahl auseinandersetzen. Er ist kurz davor, die Schule als Schulversager ohne Abitur beenden zu müssen. Er muss zu einem Gespräch zum Berufsberater und hofft, dass dieser ihm sagt, wie es weitergeht. Allerdings trifft er vorher seinen Freund Falko, der an Krebs erkrankt ist. Das Beratungsgespräch beim Berufsberater verläuft anders als gedacht... Auszug aus dem Roman "Falko".  Ein trauriges, nachdenkliches, lustiges und sehr überzeugendes Buch über Freundschaft, Krankheit, Liebe und den Tod. Und Berufswahl.

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Eiskalt erwischt

Als ich in die Stadt radeln wollte, lief ich Falko über den Weg, der gerade von der Bestrahlung kam. Er sah müde aus. Wie immer in letzter Zeit. Aber er grinste sein Falko-Grinsen, das ich seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. 

„Was ist los? Gute Nachrichten?“, fragte ich. 

Er nickte. „Falko vs. Haselnuss 1:0!“, sagte er. 

Ich atmete erleichtert aus und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. 

„Noch eine Woche Bestrahlung, dann kehre ich wieder un-ter die Lebenden zurück. Ich dürfte sogar in die Schule, sagt der Arzt.“

Ich schaute ihn verwundert an. Auf die Idee, dass Falko wieder in die Schule zurückkehren könnte, war wirklich keiner gekommen. 

„Du denkst wirklich darüber nach, in die Schule zu gehen?“

Er zuckte die Achseln. „Vielleicht“, sagte er. „Was geht bei dir?“

„Es geht abwärts“, sagte ich leise. „Mama hat mich zu ei-nem Termin beim Berufsberater verdonnert.“

Falko lachte. „Dein erster Schritt Richtung Hartz IV. Ich gratuliere!“

„Idiot!“

Falko zwinkerte mir zu: „Wie schaut es eigentlich mit ei-nem fahrbaren Untersatz aus? Kannst du das Auto deiner Eltern demnächst klarmachen?“

„Wieso?“

„Schon vergessen? Unser Roadtrip durch halb Europa? Wir können ja mit was Kleinem anfangen.“

Ich zuckte die Achseln. „Ich frag‘ Mama, ob wir ihr Auto kriegen.“

„Tu das, Alter! Tu das! Und viel Erfolg beim Stempeln!“

„Ich hab‘ ein Beratungsgespräch!“

„What ever…“

Ich verabschiedete mich und radelte runter in die Stadt und weiter zum Arbeitsamt.


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Bernhard Straßer - Falko

Die Theke im Berufsinformationszentrum war nicht be-setzt. Das sind wahrscheinlich die einzigen normalen Men-schen im Amt, dachte ich mir. Die einzigen, die sich den Faschingsdienstag frei genommen haben. Ich ging die Trep-pe nach oben und suchte nach dem im Einladungsschreiben genannten Büro von Herrn Schneider. Es war nicht schwer zu finden. Die Tür stand offen und er sprang gleich auf und streckte mir die Hand entgegen: „Herr Schreiber, ich grüße Sie!“

Herr Schneider war ziemlich alt, sicher schon fünfzig, aber er schien nett zu sein. Wobei es mir ziemlich egal war, ob ein Berufsberater nett ist oder nicht. Hauptsache, er sagte mir, wie es mit mir weiterging. 

Herr Schneider versuchte, mich in ein Gespräch zu verwi-ckeln. Er fragte mich, ob ich einen Parkplatz gefunden hät-te. Als ich sagte, ich sei mit dem Rad da, fragte er, ob es nicht zu eisig draußen sei und so weiter und so fort. Er hör-te gar nicht mehr auf mit dem Smalltalk und schaute mich dann so pseudo-freundlich an, nickte mir mehrmals zu und wartete darauf, was ich ihm erzählte. Aber ich wollte ihm ja gar nichts erzählen. Ich wollte, dass er mir sagte, was zu tun ist.

Nach gefühlten fünf Stunden fragte er mich endlich, warum ich denn eigentlich hier sei. Und erst jetzt merkte ich, dass ich es gar nicht wusste. Ich wollte sagen: „Weil die Mama mich geschickt hat“, aber verkniff es mir. Also erzählte ich von der Schule, dass ich in der Elften schon einmal episch durchgefallen war und gerade dabei war, dieses Kunststück zu wiederholen. 

Herr Schneider tat so, als hörte er mir aufmerksam zu, aber es war ihm anzusehen, dass sein Gehirn auf Hochtouren ratterte. 

Irgendwann seufzte er und lehnte sich zurück. „Herr Schreiber, stellen Sie sich kurz vor, es würde Ihnen im Le-ben alles gelingen. Alles wäre möglich. Was würden Sie in, sagen wir mal, drei Jahren machen?“

Ich zuckte die Achseln. Drei Jahre waren eine verdammt lange Zeit. Vor drei Jahren war ich noch ein halbes Kind das dachte, ewig in die Schule zu gehen. „Ich weiß es nicht“, sagte ich. Schließlich versuchte ich das Bild in Wor-te zu bringen, das sich in meinem Kopf geformt hatte: „Ich studiere Literatur in Hildesheim“, sagte ich. 

Herr Schneider blickte interessiert auf. „Literatur also.“ 

„Ich weiß selber, dass das nicht klappt. Aber Sie haben doch gefragt!“

Herr Schneider lächelte sanft, fast provozierend sanftmütig. „Mal abgesehen von Ihrem Wunsch, Schriftsteller zu wer-den – wie sehen Sie ihre Zukunft? Was brauchen Sie zum Leben?“

Was sollte denn diese Frage? War das jetzt ein Berufsbera-ter oder ein Lebensberater?

„Ich meine, haben sie vor, eine Familie zu gründen? Ist Ihnen ein gutes Einkommen wichtig?“

Ich verzog das Gesicht. Ich hatte noch nie eine Freundin gehabt, wie sollte ich mir da auch nur im Ansatz über Kin-der Gedanken machen? „Klar will ich mal Geld verdienen und Kinder haben. Aber erst später, wenn ich dreißig bin oder so.“

Herr Schneider lächelte. „Da haben Sie auch wieder recht. Bis dahin ist noch genügend Zeit, um einen Beruf zu lernen und Schriftsteller zu werden.“

„Wie meinen Sie das?“, fragte ich. Langsam hatte ich das Gefühl, dass mich der Typ nicht ganz ernst nahm.

„Ich versuche nur, eine Perspektive aufzubauen“, sagte der Berater und lächelte stoisch weiter. „Sie haben bereits selbst erkannt, dass Ihnen das Literaturstudium zum jetzi-gen Stand nicht möglich ist. Aber langfristig könnten Sie beispielsweise erst eine Ausbildung machen, anschließend die Berufsoberschule besuchen und immer noch fertig stu-diert haben, noch bevor Sie dreißig sind.“ 

Als er die Zahl „30“ aussprach, hatte ich auf einmal Falko vor mir. Falkos Kopf. Die kleine Narbe an seinem Hinter-kopf.

„Dreißig“, murmelte ich und schob mich auf dem Stuhl langsam zurück. 

„Wissen sie, wie viele großartige Künstler mit 27 gestorben sind?“ Ich dachte an Avicii und Amy Winehouse.

„Janis Joplin und Jimi Hendrix“, antwortete er.

Ich schnaufte verächtlich aus. „Dreißig, sagen sie! So viel Zeit hab‘ ich nicht. Ich hab‘ nur jetzt. Scheiß auf dreißig!“

Langsam stand ich auf. Irgendwie hoffte ich, dass mich Herr Schneider zurückhielt. Dass er sich entschuldigte. Dass er lachte und sagte, das sei alles nur ein großer Scherz gewesen und natürlich könnte ich auch jetzt, sofort, ein großartiger Schriftsteller werden, dazu brauche man weder Abitur noch Studium. Aber er sagte nichts. Er beobachtete, stupide lächelnd, wie ich aufstand, meine Tasche nahm und langsam Richtung Türe ging.

„Auf Wiedersehen, Herr Schreiber“, sagte er und lächelte weiter, als erlebte er derartiges jeden Tag. 

Ich drückte die Klinke nach unten und dachte, das darf doch alles nicht wahr sein. Schließlich drehte ich mich noch einmal um. „Eine Frage hätte ich noch“, sagte ich.

Herr Schneider nickte mir aufmunternd zu. 

„Wenn sowieso alles egal ist, weil ich meine Träume eh nicht erreichen kann. Macht es dann überhaupt einen Sinn, noch weiter auf die Schule zu gehen?“ Ich schaute den Be-rufsberater beinahe flehend an. 

Herr Schneider lächelte. „Diese Frage können nur Sie selbst beantworten“, sagte er und lächelte, als sei er auf Drogen oder Schlimmerem. „Aber ich habe das Gefühl, Sie wissen die Antwort…“ Das letzte Wort ging im Knallen der Tür unter. Ich rannte die Treppe runter, hetzte raus aus diesem Amt, so schnell ich konnte. Der war ja völlig irre.

Als ich zurück nach Hause radelte, dachte ich noch einmal über seinen letzten Satz nach. Wusste ich die Antwort auf die Frage? Dieser bescheuerte Berater hätte doch einfach „Ja“ oder „Nein“ sagen können. Stattdessen ließ er mich mit meinem Konflikt allein. Mein Kopf ratterte und die Gedanken flogen wie wild durch die Gegend.

Als ich zu Hause ankam, fragte mich Mama natürlich als Erstes, wie es war.

„Scheiße!“, sagte ich. „Er hat mir geraten, die Schule abzu-brechen.“

 

Ende 

Das gesamte Buch findest Du hier.

Noch ein Kapitel aus "Falko":

Tod von Altötting

Die Freunde Falko und Wolfgang unternehmen einen Roadtrip nach Altötting. Die Fahrt hat einen traurigen Anlass. Wenige Wochen zuvor wurde bei Falko ein Glioblastom, ein tödlich verlaufender Hirntumor diagnostiziert. Lange Zeit findet der 17-jährige keinen Weg, um mit dem schrecklichen Todesurteil umzugehen. Wolfgang ahnt noch nicht, warum Falko sich ausgerechnet Altötting für den Roadtrip ausgesucht hat. Und auch nicht, dass Falko einen Plan hat, den Tod zu überlisten. Zur Textprobe

Motivationsgeschichte über Berufswahl:

Bernhard Straßers Motivationsgeschichte
Bernhard Straßers Motivationsgeschichte

Der Autor und Berufsberater Bernhard Straßer erzählt in diesem Beitrag von seiner Berufswahl, seinem Versagen in der Schule und wie er die drei größten Krisen seines Lebens durchgestanden hat. Und wie es ihm gelang, dennoch seine große Vision, ein Schriftsteller zu werden, nie aus den Augen zu verlieren. 

Hier könnt ihr einen Auszug aus seiner motivierenden Geschichte nachlesen. Eine Motivationsgeschichte über Berufswahl, berufliche Zufriedenheit und beruflichen Erfolg trotz großer Herausforderungen. Zu meiner Motivationsgeschichte

Welche Erfahrungen hast Du mit der Berufswahl gemacht? Lasse mir einen Kommentar da!

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