Kinder und der wahre Geist der Weihnacht

Seitdem ich Kinder habe, ist mir ein erstes Mal wieder bewusst geworden, um was es an Weihnachten, in der "staden Zeit" an Advent tatsächlich geht. Als junger Erwachsener erlebte man Weihnachten meist als hektische Zeit, in der es einen Marathon an Terminen zu absolvieren gibt, in der man in der Stadt keinen Parkplatz kriegt und die einzigen besinnlichen Stunden jene sind, wenn man nach fünf Glühwein vom Christkindlmarkt heim wandert.

Kinder spüren instinktiv den wirklichen Sinn von Weihnachten

Inzwischen bin ich Vater zweier Söhne. Und diese beiden Kinder haben mir dieses Jahr ein erstes Mal die Augen geöffnet, um was an Weihnachten wirklich, wirklich WIRKLICH geht: 

Darum, möglichst viele Geschenke zu bekommen...

Seit Wochen wedelt der Große mit dem Playmobil-Katalog durch die Luft und verkündet, was ihm das Christkindl alles bringen wird: Das Piratenschiff natürlich. Und eine zweite Ritterburg, weil eine ja nicht reicht. Und außerdem noch den halben restlichen Katalog. Da hilft es auch nichts, dass schon der Nikolaus mehr Bescheidenheit angemahnt hatte.  Wie verwöhnt unsere Kinder sind, habe ich gemerkt, als ich im Kindergarten die Bilder gesehen habe, auf denen die Kinder ihre Nikolaus-Geschenke gemalt hatten: "1 Orange", "Schokonikolaus" "Eine Playmobil-Figur". Was steht auf dem Bild von unserem Kind? "Tiptoi-Ritterbuch". Und als reichte das nicht: "Ski". 

Kein Wunder, dass Bastian auch diese Geschichte vom "man muss brav sein, damit man Geschenke kriegt" für eine Legende hält. Je näher der Weihnachtstag rückt, desto größer das anarchische Irrenhaus. Zwei Brüder, die sich gegenseitig provozieren, Autos auf den Kopf kloppen, den anderen verklagen, hämisch grinsen, wenn einer der beiden auf der Stillen Treppe sitzen muss. Sogar ein Ankündigen, dass früher bei frechen Kindern der "Watschnbaum gefallen" sei, ging nach hinten los. Zum einen, weil seitdem der Größere dem Kleinen droht, dass gleich der Watschnbaum kommt, wenn er nicht folgt. Zum anderen, weil die entsetzte Mutter den Kindern sofort politisch korrekt ihre Rechte nach der EU-Kinderrechtskonvention erläuterte. 

So mündete dieses Jahr die "Stade Zeit" wieder in einem vorweihnachtlichen Chaos. Vor einem Jahr noch half es, die Kinder zu begeistern, indem man einmal mit dem Auto über den weihnachtlich glänzenden Stadtplatz fuhr - und leuchtende Kinderaugen träumten vom Christkind. Heute fordern beide Kinder ein, sofort einen Parkplatz zu suchen. Und wenn man schon da sei, müsse man unbedingt Riesenrad und Karussell fahren. Und natürlich Bosna und Kinder-Glühwein kaufen.

Ist es tatsächlich so? Ist selbst für Kinder Weihnachten nur noch ein materialistisches Fest bei dem ein Christkind - wahlweise ein Weihnachtsmann - die Kinder zwar mahnt, bescheiden und brav zu sein, aber bisher noch nie konsequent die Weihnachtsgeschenke gestrichen hat? Jedenfalls nicht bei uns. Bei euch schon?

Ein Kollege erzählte mir, dass er seiner frechen Tochter einmal nur eine Kartoffel unter den Weihnachtsbaum legte. (Natürlich wurde auch seine Tochter nach dieser Lektion anschließend mit Geschenken überhäuft)

Diese Geschichte habe ich Bastian erzählt. Und ihm erklärt, er könne auf seinem Wunschzettel immerhin ankreuzen, ob ihm das Christkind einen Sack festkochender oder mehlig kochender Kartoffeln bringen solle. 

Eine kleine Lehre hat Bastian allerdings daraus gezogen. Heute im Auto erklärte er uns, dass die Kinder in Afrika keine Spielzeuge zu Weihnachten bekommen. Die kriegen dafür - und da freuen sie sich besonders, weil sie Pommes draus machen können - Kartoffeln.

Damit hätte diese traurige Weihnachtsepisode enden können. Während dieser Text immer deprimierender wurde, je mehr ich schrieb, fiel mir auf einmal ein, wie das Weihnachten meiner Kindheit war. Auch damals ging es für uns Kinder nur um Geschenke. Und damals schon wurde auf der Vereins-Weihnachtsfeier geschimpft, dass Weihnachten nur noch Kommerz ist, wie ich mich noch sehr lebhaft erinnern kann. Aber es gab auch jedes Jahr an Weihnachten diese stille Spannung wenn es dunkel wurde. Als ich ganz fest davon überzeugt war, dass es das Christkind gibt. Oder wenigstens diesen besonderen Geist der Weihnacht. Und jedes Jahr war er auf einmal da, wenn wir Kinder ehrfürchtig vor dem Christbaum standen und die Erwachsenen "Stille Nacht" sangen. Und dieses ganz und gar erfüllende Weihnachts-Gefühl war so intensiv, dass ich es noch heute in Erinnerung habe. Dieses Gefühl geht mit dem Alter vielleicht verloren. Aber diesen Blick, diese Mischung aus Ehrfurcht, Demut und Vorfreude, dieses zaghafte Glauben an ein wahrhaftiges Wunder, den habe ich die letzten Jahre am Heiligabend in den Augen auch meiner Kinder gesehen. Und ich freue mich schon, wenn ich ihn auch heuer im Blick der beiden entdecken werde. Und vielleicht ist es dieser Moment zwischen Glöckchenläuten und Bescherung, der Weihnachten dann doch wieder zu einem außergewöhnlichen Fest macht, der den ganzen Trubel ringsherum auf ganz stille, subtile Weise vergessen lässt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Beer Kerstin (Mittwoch, 21 Dezember 2016 21:05)

    Lieber Berni,
    Jetzt hab ich es doch gelesen und war richtig gerührt. Ich freu mich auch auf Weihnachten und die Kinderaugen.
    Da werde ich mir doch gleich noch dein zweites Buch bestellen für die " staade Zeit" nach Weihnachten.
    Ich wünsche Euch ein schönes Fest und vlcht doch am 30.12 bei de Springer.
    Liebe Grüße Kerstin

  • #2

    Rebel (Mittwoch, 21 Dezember 2016 22:20)

    Ich schlage vor, ihr schenkt zu dem Playmobil gleich die schönen großen Ikea-Aufbewahrungskisten dazu, denn nächstes Jahr braucht ihr Platz, wenn die ganze Lego-Star-Wars Serie gewünscht (und geschenkt) wird!