Zirkus Corona Tag 60 - Zwischenzeit

 

Dialog heute beim Abendessen: „Leo, wenn du nicht brav bist, dann…“ Leo: „Dann komm ich zu Oma und Opa? Yippie!“ „Nein! Dann… dann schicken wir dich aufs Internat!“ „Nein, lieber auf die Militärakademie. Oder – ich hab’s: Ins Kloster!“ Leos Augen beginnen zu strahlen: „Ins Kloster? Ins Ninja-Kloster! Ich freu mich so!“ Bastian: „Das ist so unfair! Ich will auch ins Ninja-Kloster!“ Leo: „Dann bringt mir Meister Sensei bei, wie ich ein goldener Ninja werde!“ Mama und Papa verdrehen die Augen.

 Tag 60 ohne Schule. Zwei Monate? Echt? Kommt mir vor, wie… schon immer! Fassen wir noch einmal ganz kurz zusammen: Mitte Januar erfährt die Welt, dass in China ein neuartiges Coronavirus entdeckt wurde. Staunend sah die Welt zu, wie 80 Millionen Menschen unter Quarantäne gesetzt wurden. Im März stiegen auch in Deutschland die Fallzahlen rapide an. Spätestens, als Söder die Schulen schloss, war klar, dass etwas unfassbar Großes im Gange war. Stopp, korrigiere: Spätestens, als die Bundesliga unterbrochen wurde. Es folgten eine Ausgangsbeschränkung, ein Einbrechen der Wirtschaft und eine Katastrophe, die ausblieb.

Zwei Monate später in Traunstein. Ein Mitglied des Stadtrats filmt Hunderte Menschen, die auf dem Stadtplatz zusammenstehen, für oder gegen irgendwas demonstrieren und sich Großteils nicht an die Infektionsschutz-Regeln

halten. Die Schimpftirade aus dem Off ist der vom Keller Steff im März

mindestens ebenbürtig.

 

Vom selben Tag werden Bilder aus vielen großen Städten Deutschlands ausgestrahlt, in der Tausende Menschen für oder gegen etwas demonstrieren. Auch hier dasselbe Bild: Kein Mundschutz, kein Abstand. Im Land ist eine neue Debatte entbrannt. Dass Lockerungen notwendig sind, um die Kollateralschäden nicht größer werden zu lassen als das, was das Virus angerichtet hätte, darüber herrscht Konsens. Dass aber inzwischen wieder die Extremen – egal von links oder rechts Gehör finden, sich diese mit den Esoterikern verbrüdern und diese gemeinsam für oder gegen etwas demonstrieren, das diffus etwas mit der Regierung, Bill Gates und Impfen zu tun hat, das ist durchaus neu und interessant. Mein ganz subjektiver Menschenverstand – ein Wort, das inzwischen von allen Lagern bis zur Unkenntlichkeit missbraucht wird und das ich ab jetzt nicht mehr verwenden werde – sagt mir aber folgendes: Egal, für oder gegen was ich gerade bin - solange es offensichtlich ist, dass da ein Virus unter uns ist, nennen wir es  von mir aus auch Grippe – und die Wahrscheinlichkeit, dass ich es weitergebe und dadurch andere krank werden – nicht völlig abwegig ist – dann halte ich mich doch wenigstens an ein Minimum der Infektionsschutzvorgaben.

 

Um es als Vater zu erklären: Mich erinnert das ganze an ein Kind, das trotz mehrmaliger Ermahnung, dass es kein Cola trinken darf, weil das ungesund ist, zu mehreren Wochen Hausarrest bestraft wird. Das Kind ist nach einigen Wochen natürlich grantig und beschwert sich, dass es nicht einmal aus dem Zimmer darf, um ein Ende des Hausarrests einzufordern. Na gut, sagt Mutti schließlich: Ich denke, du hast deine Lektion gelernt. Ich erlaube dir, dein Zimmer zu verlassen und deine Argumente vorzubringen. Was macht das Kind? Es hält ein Schild in die Luft, auf dem steht „Hausarrest ist scheiße! Und Eltern auch!“, während es trotzig ein Cola nach dem anderen in sich hineinschüttet.

 

Meine Kinder machen sowas natürlich nicht. Aber sie haben schon eine klare Vorstellung davon was passiert, wenn sie 20 sind. Bastian hat mir erklärt, dass er dann selbstverständlich weiter im Haus wohnen werde. Und zwar mit Leo allein. „Du und Mama, ihr könnt euch ja dann ein neues Haus kaufen.“

 

„Wie bitte? So läuft das aber nicht! Wenn, dann ziehen du und Leo aus!“

 

„Aber Papa! Wie sollen wir denn Miete bezahlen? Wir haben doch kein Geld, Manno!“

 

Auch für dieses Problem haben wir eine Lösung gefunden: Wir ziehen dann bei Oma und Opa ein. Aber nur, wenn Corona bis dahin vorbei ist.

Ob uns die Kinder irgendwann fehlen werden, wenn sie wieder in die Schule und in den Kindergarten gehen und nicht mehr 24/7 uns mit ihrer Anwesenheit erfreuen? Falls ja, hat die Mama vorgesorgt. Sie breitete Zeitungspapier auf dem Tisch aus, schnappte sich den Leo und hat auch ihn auf dem Tisch ausgebreitet. Sie fuhr mit dem Stift seine Konturen entlang und hat ihn anschließend ausgeschnitten.

Seitdem wohnt ein Papier-Leo in Lebensgröße bei uns. Dieser hat den Vorteil, dass er viel braver und auch nicht ganz so laut ist, wie der echte. Folgen tut er aber ebenso wenig.

Alle vorherigen Geschichten aus dem Zirkus Corona hier:

www.chiemgauseiten.de/das-elterntagebuch
www.chiemgauseiten.de/das-elterntagebuch
Der Funkturm bei Einham ist von Weitem zu sehen und lädt zu einem schönen Spaziergang ein.
Der Funkturm bei Einham ist von Weitem zu sehen und lädt zu einem schönen Spaziergang ein.

Und noch einen Tipp für einen tollen Spaziergang in Traunstein mit oder ohne Kinder habe ich noch für Euch:

Auf der Suche nach schönen Spaziergängen während der Corona-Krise habe ich diesen malerischen Rundgang abseits der bekannten Traunsteiner Wanderwege entdeckt. Die kleine Wanderung führt über Haslach zum Axdorfer Feld und über die Einhamer Kapelle zurück nach Traunstein. Hier klicken

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