Das Corona-Tagebuch Tag 2: Das Déjà-vu

Der Nachbarlandkreis Berchtesgaden ist seit gestern im Lockdown. Mit Oma und Opa haben wir unsere Kinderbetreuung verloren, das Klopapier wird knapp und daheim husten sie sowieso seit Tagen alle. Hatten Sie schon einmal ein Déjà-vu? „Nein, aber ich kann mal in der Küche nachfragen, ob noch eins da ist!“, hatte Bully damals geantwortet.

Der Morgen begann hektisch und chaotisch, wie wir es ja eigentlich schon gewohnt sind. Aber im Jahr 2020 ist selbst der ganz normale Wahnsinn einer vierköpfigen Familie nochmal eine Schippe wahnsinniger. Früher haben wir den Kleinen bei ein bisschen Husten in den Kindergarten geschickt. Und wenn ich bei Männerschnupfen daheim geblieben wäre, hätten mich meine Arbeitskollegen die meiste Zeit nicht zu Gesicht bekommen. Dieses Jahr heißt das, das Kind zu Hause lassen und selber ins Home-Office. Dabei müssen wir – Stand heute – sogar noch dankbar sein: Schulen und Kindergärten haben offen und in der Arbeitswelt 4.0 ist es längst Standard, wenn man an den überregionalen Sitzungen per Skype teilnimmt. Original Aussage der Skype-Sitzungs-Leiterin auf die Frage, ob ich auch an der Skype teilnehmen kann, wenn sich ein Fünfjähriger im selben Raum befindet:

„Natürlich! Solange du weißt, wie die Stummtaste funktioniert!“

 

Guter Hinweis. Meine Geräusch-Highlights auf Skype-Sitzungen 2020:

 

  • Rauschende Klospülung
  • Doppel-Rülpser (Respekt!)
  • „Duzi Duzi, ich bin ja da!“

 

 

 

Zumindest Arbeit läuft also. Halbwegs. Aufreger gab es zuletzt sowieso genügend. Die Bild-Zeitung wühlte sich durch den Berchtesgadener Landkreis auf der Suche nach einem Schuldigen für die Inzidenz-Katastrophe. Dass der Reporter in Berchtesgaden City nicht fündig wurde, ließ natürlich jeden schmunzeln der weiß, wie oft ein Berchtesgadener außerhalb seiner Ortsteilgrenzen hinauskommt. Ein schlechtes Pflaster für ein Virus. In Anger wurden sie dann fündiger. Meine Hochachtung hat Landrat Kern, der dem Klatschmagazin knallhart klarmachte: „Von uns kriegen Sie keine Schlagzeile!“

Weitere Aufreger waren ein über Social-Media viral gegangenes Video eines Celebrity, dessen zwei Tests einmal positiv und einmal negativ waren. Eine Steilvorlage für alle PCR-Test Gegner und etwas, das tatsächlich nicht passieren darf, aber leider zu oft vorkommt.

Positiv verfolge ich derzeit die Debatte, dass der Bundestag mehr in die Corona-Entscheidungen eingebunden werden soll. Bedenkt man, wie lange wir uns schon auf die zweite Welle vorbereiten, ist es unfassbar, dass tatsächlich noch keine grundsätzliche Debatte der Volksvertreter stattgefunden hat. Diesbezüglich kann ich die Regierungskritiker sogar verstehen. Nicht verstehen kann ich aber die Schweden – Fans, die weiter verbreiten, dass Schweden viel besser durch die Corona Krise gekommen sei als Deutschland. Ein zufälliger Blick in die schwedischen Tageszeitungen zeigte, dass die Region Uppsala mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat, wie Berchtesgaden und kurz vor einem (freiwilligen) Teil-Lockdown steht.

Während meine Kinder wieder exponentiell steigende Videospiel-Zeiten genießen, nutze ich die kurze Zeit der Stille, um die aktuellen Zahlen anzuschauen: Traunstein hat seit gestern die 35er Inzidenz-Marke gerissen und steht aktuell bei 46. Im Krankenhaus werden nur fünf Personen behandelt. Aber nochmal zur Erinnerung: Die Gefährlichkeit des Virus ist diese enorme Geschwindigkeit, mit der er sich weiterverbreiten kann und in diesem Fall stimmt es sogar ein wenig, dass man in eine Glaskugel schauen kann, wenn sich alles so entwickelt wie im März.

In Berchtesgaden sieht es bekanntlich derzeit zahlenmäßig nicht gut aus. Die 7-Tages-Inzidenz ist aktuell bei 262. Die entscheidendere Zahl ist aber die der Krankenbettenbelegung. Aktuell sind 12 Patienten in Behandlung, einer davon auf der Intensivstation. Tendenz leider steigend.

 

Zum Abschluss noch eine Meldung, die selbst ich als absoluter Masken-Befürworter dennoch positiv bewerte: Die Stadt München und der Landkreis Ebersberg haben sich gegen eine Maskenpflicht bei Grundschüler entschieden. Warum ich das gutheiße? Ähnlich wie beim Kippen des Beherbergungsverbotes zeigt dies, dass die demokratischen Strukturen sehr wohl funktionieren. Nicht, dass ich das bezweifelt hätte. Aber es ist hoffentlich ein weiterer Baustein dazu, die immer tiefer werdenden Gräben in unserer Gesellschaft zu überbrücken und ein Beispiel, dass der extrem schwierige Spagat zwischen Pandemiebekämpfung und Demokratiewahrung gelingen kann.

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