Das Corona-Tagebuch: Verantwortung

Eltern tragen Verantwortung. Sie wissen, jede noch so kleine Handlung gegenüber den Kindern hat Folgen. Sie sind keine Erzieher, sie sind Vorbilder. Und sollten gleichzeitig vieles besser wissen. Wenn die Kinder also beim Besuch zwei Lebkuchen, zwei Stück Marmorkuchen und eine Limo bekommen, sollte man als Erziehungsberechtigter wissen, was fünfzehn Minuten später los ist.

So ähnlich verhält es sich derzeit mit dem Corona-Virus. Bei gleichbleibender Entwicklung können wir ungefähr ausrechnen, wie sich die Zahlen in den nächsten 2 Wochen entwickeln werden. Die Regierenden haben also eine Verantwortung, zu handeln. Doch dazu gleich mehr, zurück zu den Kindern: Ich versuche mal folgendes Szenario zu beschreiben: Zwei Kinder rennen schreiend, jubelnd, kichernd in einer Wohnung im Kreis. Sie entdecken einen Schlagzeugblock und zwei Sticks und schlagen damit brüllend auf den Block, dann den Tisch und die Stühle und letztendlich auf ein Klavier ein. Cool, man kann mit Schlagzeugsticks Klavier spielen. Eines der Kinder hüpft wie von Sinnen auf einem fremden Bett und schreit immer wieder "Popo! Popo! Popo!"

Ja,  ich hätte wissen müssen, was passiert. Ich hatte die Verantwortung.

 

Bei den Querdenkern in Traunstein

Das Thema "Verantwortung" beschäftigte mich schon den ganzen Tag über. 
Da viele aus meinem Heimatdorf Teilnehmer der Querdenker-Bewegung sind, fühlte ich mich verantwortlich, deren Argumente einmal im Original-Ton anzuhören.
Ich habe zuletzt viel über Querdenker nachgedacht. Vor allem deshalb, weil ich Querdenker immer sehr geschätzt habe und einige meiner wichtigsten Mentoren echte Querdenker sind. Auch mein Papa war wohl jemand, den man als richtigen Querdenker bezeichnen konnte. Querdenker sorgen dafür, dass neue Aspekte in Diskussionen kommen. Sie helfen, über den Tellerrand zu schauen und die alte Weltsicht zu hinterfragen. Dank Querdenker ist die Welt im Kleinen ein wenig besser, da sie meist idealistische Ziele haben. Das habe ich immer sehr an ihnen geschätzt. Und trotzdem bin ich sehr erleichtert, dass Querdenker derzeit keine politische Verantwortung tragen. Diese Meinung hat sich  beim Besuch der Querdenken-Demo in Traunstein leider nicht relativiert.
Und das, obwohl ich eine recht gute Rede von Hubert Koch gehört habe. Das Thema: "Verantwortung". So ziemlich alles, was Hubert Koch sagte, würde ich unterstreichen. Er redete davon, dass Politiker die Grundrechte schützen müssen, dass wir selbst unser Weltbild immer wieder hinterfragen sollen. Dass wir ohne Emotionen verschiedene Medien lesen und den Inhalt rational bewerten sollen. Dass wir eine Verantwortung für unsere Umwelt, das Klima haben. Und wäre es eine Demo gegen den Klimawandel gewesen, hätte ich sogar mit applaudiert. Aber die Rede war vor allem deshalb gut, weil er das "C-Thema" völlig ausgeklammert hatte.
Diesen Part übernahmen andere. Es fiel die Aussage, dass die WHO nun zugegeben habe, dass der Coronavirus nicht gefährlicher sei als eine "leichte Grippe". 
Wie bitte? Hatte die WHO das wirklich so ausgesagt? Ein Faktencheck (u.a. hier) ergab, dass Michael Ryan von der WHO ausgesagt habe, dass laut WHO-Schätzung derzeit 10 Prozent der Weltbevölkerung mit dem Virus infiziert gewesen sein könnte. Was haben die Querdenker daraus gemacht? Sie haben in einer Eigenrechnung eine Letalität von 0,14 und eigenständig den Kausalzusammenhang hergestellt, dies sei ungefährlicher als eine leichte Grippe. Diese eigenständig kreierte Aussage verbreiten sie nun als Aussage der WHO.
Anders gesagt: Ich wurde leider bestätigt, dass auf der Querdenker-Bühne Unwahrheiten verbreitet werden. Ob wissend oder unwissend, das weiß wiederum ich nicht. 
Mein persönliches Fazit: Viele Bedenken der (Traunsteiner) Querdenker sind berechtigt. Sie gehen allerdings alle von der These aus, dass das Virus nicht gefährlicher sei als eine Grippe. Ich stelle jetzt aber eine ebenfalls gewagte These auf: Sollte das Sars Cov 2-Virus aufgrund der noch schwach ausgeprägten Immunabwehr beim Menschen für das Virus, der oft symptomlosen Ansteckung und durch die exponentiell steigenden Ansteckungszahlen eventuell doch so gefährlich sein, dass die Gefahr des Zusammenbruch des Gesundheitssystem besteht- dann hätte unsere deutsche Regierung einen gar nicht so schlechten Job bisher gemacht. 
Ich finde es wichtig, dass Menschen derzeit dafür eintreten, dass die Grundrechte nur mit wichtigem Grund und nur zeitlich begrenzt beschnitten werden. Gleichzeitig finde ich es müßig darüber zu diskutieren, wie gefährlich das Virus ist. Die großen Denker haben das längst akzeptiert, sind alle schon zwei Schritte weiter und haben begonnen, Visionen für unsere neue Realität zu erdenken, ohne das Virus zu verharmlosen zu müssen. Dazu müssten doch auch Querdenker fähig sein, oder?
Und wenn schon auf die Mainstream-Medien in Deutschland geschimpft wird, dann lest bitte auch die französischen, die spanischen und auch die schwedischen Zeitungen, oder gerne auch die NZZ. Die sind in ihren Meinungs-Sparten zwar oft querdenkend, aber insgesamt dann gar nicht so komplett verschieden von unseren Mainstream-Medien. 
Und da wir noch beim Thema sind, möchte auch ich noch meine Kinder instrumentalisieren. Zwar nicht zu einem Sankt-Martins-Zug, sondern zu diesem eigentlich heiteren Elterntagebuch, das leider situationsbedingt immer wieder von politischen Themen durchzogen wird:
Wie ging die Zuckerschock-Geschichte denn aus? Am Abend spielten wir das sehr empfehlenswerte Familienspiel "Dixit". Dabei geht es, zu einer von unzähligen, mit kreativen Bildern bemalten Karten, einen Satz, ein Wort oder eine Geschichte zu nennen. Die Mitspieler wählen aus ihrem Kartensatz eine Karte, die dazu passen könnte. Anschließend müssen die anderen raten, welche die echte Karte ist. (Das Spiel könnte man mit Corona-Zahlen und deren Interpretation übrigens auch spielen!)
Jedenfalls kanalisierten die Kinder ihren Zuckerschock in Kreativität und es kamen echt tolle Spielsituationen zustande. Leo bezeichnete seine erste Karte als "Karotte". Da auf keiner der folgenden Karte eine Karotte abgebildet war, kamen wir schließlich darauf, dass er sich einfach auf die Farbe "Orange" bezogen hatte. Das Spiel steigerte so seine Spannung. Seine beste Aussage aber war "Schachspiel Klopapier". Das überlasse ich nun eurer Fantasie, wie die jeweilige Karte in echt wohl ausgeschaut hatte. 

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