Wir warten aufs Christkind

So war Weihnachten früher in meiner Kindheit. Wer kann sich nicht erinnern an das zähe Warten auf das Christkind? Als ich noch Kind war, lief jeder 24. Dezember nach demselben Muster ab. Eine immer wieder lustige Weihnachtsgeschichte, die ich hier gern noch einmal erzähle:

Seit jeher wissen alle Kinder auf dieser Welt, wann der aller- aller- allerlangweiligste Tag des ganzen Jahres ist. Es ist der 24. Dezember. Gleichzeitig ist es aber auch der alleraufregendste Tag des Jahres. Blöderweise halt erst ab Einbruch der Dunkelheit. Bis dahin, da erinnere ich mich noch gut, sind wir als Kinder vor Langeweile stets fast gestorben. 

Meistens sind wir früher am 24. Dezember schon um halb Sieben von ganz von alleine aufgewacht. Komisch, wenn Schule war, ist uns das nie gelungen. Draußen war es noch dunkel und Weihnachten unendlich weit weg. 

Weil unsere Mama zu dieser Tageszeit noch irgendwie müde und ein wenig gestresst ausgesehen hatte, fragten wir sie meistens, ob wir zur Entlastung ihrer Nerven ein wenig Fernsehschauen dürften. Wir würden auch ganz brav sein, versprachen wir und schauten sie mit großen Kinderaugen an. Mama sagte am Morgen des Heiligabend immer ja. 

Im Fernsehen kamen jedes Jahr dieselben Filme. Drei Nüsse für Aschenbrödel, das letzte Einhorn, irgendwelche Märchen. Manchmal kamen die Filme sogar zwei Mal, weil ORF fast dasselbe Programm zeigte. Das Fernsehen war immer super. Aber irgendwann mussten wir jedes Mal aus dem Wohnzimmer raus, weil es von den Eltern für das Christkind vorbereitet werden musste. Das Wohnzimmer war ab da für uns Kinder tabu. Da wir damals nur einen einzigen Farbfernseher hatten und der dummerweise im Wohnzimmer stand, und da die Eltern ab da an  überhaupt keine Zeit mehr für uns Kinder hatten, begann sie ab jetzt: Die unfassbare Langeweile. Wir langweilten uns erst ganz schnell und sehr aufgeregt. Aber bald wurde uns auch das zu langweilig und wir langweilten uns immer langsamer und zunehmend genervter.

Mittags gab es immer etwas Karges wie Fafferlsuppe. Damit wir uns mehr auf das Weihnachtsessen freuten, erklärte die Mama. Die Suppe schmeckte genau so langweilig, wie wir uns fühlten. Nach dem Essen warteten wir weiter auf das Christkind und fragten alle fünf Minuten, wenn wieder ein Erwachsener geheimniskrämerisch aus dem Wohnzimmer schlich, eine der folgenden Fragen:

- Wie spät ist es? 

- Wann kommt das Christkindl? 

- Wie lange dauert es noch? 

Und fügten nach enttäuschender Antwort als zweite Frage hinzu:

- Dürfen wir Fernsehen? 

Irgendwann wurde es der Mama jedes Mal zu bunt und sie schickte uns mit strengem Befehlston an die frische Luft.

Das war selten ein großes Vergnügen. Denn sicher war am 24. Dezember nur eines: Egal, wie viel es den ganzen Dezember über schon geschneit hatte, pünktlich bis zum Heiligabend war der gesamte Schnee weggeschmolzen. Also standen wir mit unseren Gummistiefeln im Matsch und langweilten uns dort. Alle paar Minuten wurde kontrolliert ob es nicht schon ein wenig dunkler geworden war, aber meistens war es nur der Nebel oder unser Wunschdenken. 

Einmal ging ich sogar freiwillig ins Bett, weil ich dachte, die nie vergehen wollende Zeit mit Schlaf zu überlisten. Als ich wieder aufwachte, war es immer noch nicht mal Halb Zwei. 

Letztendlich besiegten wir die Zeit mit ausdauerndem Schauen aus dem Fenster. Die Langeweile besiegten wir so zwar nicht, aber ab halb 5, als es wirklich dunkel wurde und Papa die Weihnachtsbeleuchtung vor dem Haus einschaltete, war auch das Vergessen. 

Nun kippte die Langeweile um in Aufregung und puren Stress. Denn die Mama musste uns etwas Fesches anziehen. Das klappte meist mehr schlecht als recht. Aber es klappte. Danach wurde es noch schwieriger. Denn danach musste sich die Mama selbst etwas Fesches anziehen. Und das schien nicht so gut zu klappen. Wir standen brav neben ihr im Bad und schauten ihr geduldig dabei zu, wie ihre Laune immer schlechter wurde, weil das mit dem Feschmachen irgendwo haperte.

Als der Papa dann ein, zwei Fragen von der Mama falsch beantwortete und wir eine Weile vor der Badezimmertür standen, während drinnen laut geschimpft wurde, fuhren wir irgendwann endlich Richtung Oma los. 

Wie jedes Jahr saßen wir schweigend im Auto. Mama und Papa schwiegen am lautesten. Im Radio lief alpenländische Stubenmusik. Wir fragten, ob wir Rockmusik anhören dürften. Oder etwas von EAV. Aber Papa schwieg und wir lauschten genervt den Dreigesangs und Zitherklängen. Was im Nachhinein dann doch ganz schön war. Am allerschönsten war es, wenn auf dem Weg zum Heiligabend eine oder zwei Schneeflocken auf die Scheibe fielen. Aber das passierte sehr selten. 

Bei der Oma roch es schon nach den Weihnachtswürsten. Wir wurden mit "Wie immer die letzten!" begrüßt und es war schon sehr laut. 

Wir Kinder spielten in der Küche und die Erwachsenen mussten alle paar Minuten im Weihnachtszimmer nachschauen, ob das Christkindl schon da war. Wir Kinder wussten, dass das ein sinnloses Unterfangen war, weil sich das Christkindl doch ganz anders bemerkbar machen würde. Ebenfalls wunderten wir uns, ohne es jemals zu thematisieren, warum die Erwachsenen ständig voll beladene, zugedeckte Kisten und Wäschekörbe ins Weihnachtszimmer schleppten.

 

Doch noch ehe wir uns darüber größere Gedanken machen konnte, geschah das Wunder, ein Glöckchen läutete. Und auf einmal war das ganze lange Warten auf das Christkind und das seltsame Gebaren der Eltern vergessen. Denn nun war endlich das Christkind gekommen!

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