Die geheimnisvolle Biberschwell bei Tengling

Versteckte Quellen, sagenhafte Goldsucher und ein unterirdischer Geheimgang: Die Biberschwell bei Tengling am Tachinger See ist einer der mystischsten Kraftorte Bayerns. Wer hierher wandert, erlebt Natur und Geschichte auf besondere Weise. In diesem Artikel gehen wir den Spuren keltischer Quellheiligtümer, alter Kirchweihfeste und geheimnisvoller Sagen nach.

Es gibt ein paar geheime Orte, die sind so magisch und besonders, dass die Einheimischen viel dafür tun, dass diese weiterhin ein Geheimtipp bleiben. Einer davon ist die Biberschwell bei Tengling. Folglich gibt es keinen Wanderführer zur Biberschwell, keine Infotafeln und keine Brotzeitbankerl. Es gibt nur einen kleinen Pfad, jede Menge Dornen und Brennnessel – und ein fantastisches Naturerlebnis. Und damit das so bleibt, werde ich hier nicht erklären, wie man zur Biberschwell kommt. Das muss man schon selbst herausfinden oder sich von einem der einheimischen Eingeweihten den Ort zeigen lassen. So habe ich es auch gemacht. Und nun habe ich den mystischen Kraftort auch meinen Kindern gezeigt.

Um die Biberschwell ranken sich gleich mehrere Mythen, Sagen und Legenden. Der Ort ist so alt und so außergewöhnlich, dass buchstäblich ganze Bücher darüber geschrieben wurden. Aber auch diese Bücher sind inzwischen selbst zur Legende geworden. Die Biberschwell ist vieles in einem: Sie ist ein uralter Quellort, den schon die alten Kelten als Heiligtum verehrt haben sollen. Sie ist der Schauplatz der längst untergegangenen Kirchweih von Burg. Und sie birgt gleich mehrere ungelöste Rätsel – von versteckten Goldschätzen bis hin zu einem Geheimgang, der den sagenumwobenen Heinz von Stein mit dem Wald bei Tengling verbinden soll.

 

Die Geschichte der Biberschwell ist eng verknüpft mit der Kirche Mariä Himmelfahrt in Burg. Wo heute die Wallfahrtskirche steht, befand sich im 11. Jahrhundert eine Burg der Grafen von Tengling. Nach deren Weggang nach Burghausen um 1120 verfiel die Anlage. Aus ihren Steinen wurde eine Kirche errichtet, die im 16. Jahrhundert als Wallfahrtsort ausgebaut wurde (Quelle: Erzdiözese München und Freising). Noch bis vor 150 Jahren fand an der Biberschwell das achttägige Kirchweihfest statt, ein bedeutendes Volksfest mit Jahrmarktscharakter, Pilgern, Musik und Kegelbahnen (Quelle: waginger-see.de).

Ein Grund mehr, sich diesen Ort heute anzuschauen. Wir wanderten in den Wald hinein. Gleich am Waldrand wurden wir von einer Merkwürdigkeit empfangen: Der verfallene Rest einer alten Kapelle steht am Wegrand. Das ehemalige Blechdach liegt meterweit entfernt im Gehölz. Irgendwie unheimlich und rätselhaft. Und damit passend zur Biberschwell.

 

Eigentlich ist es gar nicht schwer, die Biberschwell zu finden: Man folgt dem Tenglinger Bach zu seiner Quelle. Ein kleiner Trampelpfad bestätigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Der Name Biberschwell leitet sich übrigens aus dem Keltischen ab. "Schwell" bedeutet schwallartig hervorsprudelndes Wasser, "Biber" steht vermutlich für einen geschützten, eingefassten Ort – nicht für das Tier. (Quelle: waginger-see.de / Heimatforschung Ludwig Hörmann)

Sagen, Zwergenlöcher und der Heinz von Stein

Nach wenigen Minuten erreichten wir eine der vielen Biberschwell-Quellen. Wer mitgedacht hat, kann sich hier eine Tasse oder eine Trinkflasche nehmen und direkt von der Quelle trinken. Das haben auch wir gemacht. Die Kinder waren begeistert, dass man mitten im Wald echtes Trinkwasser findet.

 

Wir blieben eine Weile an der Quelle sitzen, und ich erzählte den Kindern, dass hier noch vor 150 Jahren ein achttägiges Kirchweihfest stattfand. Mit etwas Fantasie kann man sich vorstellen, wie hier bereits zur keltischen Zeit Wasser-Gottheiten verehrt wurden – ähnlich wie am Ponlachgraben bei Tittmoning. Eine Vorstellung, die von vielen Heimatkundlern geteilt wird (Quelle: Dr. Ute Künkele, geführte Wanderungen).

Als wir weiter spazierten, erzählte ich meinen Kindern von den vielen kleinen, kreisrunden Löchern im Boden. Der Legende nach waren es die sogenannten Venediger, ein sagenhaftes Zwergenvolk, das hier nach einem Goldschatz grub. Diese Sage wurde bereits im 19. Jahrhundert von Hermann Schmid literarisch verarbeitet. Der Schatz wurde nie gefunden – doch man munkelt, dass die Venediger beim Graben vom Fluch des Heinz von Stein eingeholt wurden.

Denn zur Biberschwell gehört auch die geheimnisvolle Nagelfluhwand, über die der Efeu wie ein grüner Vorhang herabrankt. Einer weiteren Sage zufolge verbarg sich hinter diesem Efeuvorhang der Eingang zu einem unterirdischen Geheimgang. Dieser soll von der Biberschwell bis zur Höhlenburg des Raubritters Heinz von Stein bei Traunstein geführt haben – eine Strecke von über 15 Kilometern. Der Ritter soll der Legende nach Jungfrauen geraubt und in seine Burg verschleppt haben (Quelle: Sagen des Rupertiwinkels).

Für diese Geschichte interessierten sich meine Jungs nicht besonders. Umso mehr aber für das Gestein und das kleine Gewölbe, zu dem man hinaufklettern konnte. Ob sich dahinter wirklich ein Geheimweg verbirgt? Wer weiß das schon. Heute ist die Nagelfluhwand jedenfalls einer der spannendsten Insta-Spots in der Region.

 

Ein letztes Highlight unserer Wanderung wäre noch die nahe gelegene Schlucht bei Weitgassing gewesen. Die darf eigentlich bei keiner Biberschwell-Tour fehlen. Leider fehlte uns die Zeit. Die Schlucht heben wir uns fürs nächste Mal auf.

Der Weitgassinger Graben

Am nächsten Tag bin ich doch nochmal zur Biberschwell gefahren, weil ich den Weitgassinger Graben noch einmal besuchen wollte. Der Graben ist eine richtige Schlucht und zieht sich über mehrere hundert Meter von der Biberschwell nach Weitgassing. Und endet auf einmal im Nichts. Auch hier kann man sich vorstellen, dass ursprünglich diese Schlucht der Ideengeber für den Geheimgang vom Heinz von Stein war. 

Die wichtigsten Info zur Biberschwell:

  • Lage: Zwischen Tengling, Burg und Weitgassing im Waldgebiet des Pfarrverbands Taching am See

  • Bedeutung: Vermutlich keltisches Quellheiligtum, später Wallfahrtsort der Kirche Mariä Himmelfahrt

  • Etymologie: "Biber" = geschützter Ort (keltisch); "Schwell" = schwallartige Quelle

  • Kirchweih: Bis ins 19. Jahrhundert achttägiges Fest mit Jahrmarkt und Pilgern aus Bayern und Salzburg

  • Sagen:

    • Schatzgräbervolk der "Venediger" suchte nach Gold

    • Geheimgang des Heinz von Stein soll bis zur Höhlenburg bei Traunstein geführt haben

    • Zwergenlöcher und Efeuwand mit magischen Kräften

  • Besonderheit: Kein offizieller Wanderweg, keine Beschilderung – ein Ort, den man sich selbst verdienen muss

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