Der Watschenbaum fällt um

Watschenbaum, Slap, Alltag in Weißblau
Der Watschenbaum fällt um - Mein Alltag in Weißblau

Sie gehörte einst  zum bayerischen Alltag wie die Lederhose: Die Watschen. Auch Schelle oder - achtung - Vulgärsprache - Fotzn genannt. Doch ebenso wie Kraftausdrücke wie dieser zuletzt aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden zu sein schienen, war es die ordinäre Ohrfeige aus dem weißblauen Alltag. 

Der Traunsteiner Autor Bernhard Straßer berichtet in seiner Kolumne alle zwei Wochen in der "Hallo Nachbar" über seinen "Alltag in Weißblau". Alle Beiträge findest Du hier: https://www.chiemgauseiten.de/bernhard-strasser/mein-alltag-in-weissblau/

Ältere Generationen können sich noch recht lebhaft an “Datzn” in der Schule oder “Schleg” von den Erziehungsberechtigten erinnern. Heutige Kinder jedoch wissen sehr genau, dass ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit seit 2000 gesetzlich festgeschrieben ist. Und auch wenn renitente Heranwachsende noch so sehr um “Schleg” betteln, kann das tatsächliche Umfallen des Watschenbaams eine zu ahnende Straftat sein. 

Umso erstaunlicher ist es zu beobachten, wie das öffentliche Abwatschen unter Prominenten auf Großveranstaltungen zuletzt zu einem schmerzhaften Trend geworden ist. Aber der große Aufschrei blieb aus. Im Gegenteil. Gewundert hat mich, dass darüber diskutiert wurde, ob die eine oder andere Watschen nicht vielleicht sogar verdient war. Ob manch Gewatschter nicht schon sehr um Schleg’ gebettelt hätte. Ob die Hand nicht schon mal ausrutschen könne, wenn es um die Ehre oder die Ehefrau ginge. Sicher, früher wurden bei Beleidigungen der Gattin oder anderen Ehrenkränkungen gleich der Fehdenhandschuh hingeworfen und zum Duell im Morgengrauen aufgefordert. Bis vor kurzem dachte ich aber, derartige öffentliche Austragungen einer bilateralen Verstimmung gehörten längst den Geschichtsbüchern an. Aber seitdem beleidigte Diktatoren angefangen haben, ganze Staaten zu überfallen, scheint der neuen, alten Männlichkeit Tür und Tor geöffnet worden zu sein. Was ist denn eigentlich los mit uns Mannsbildern? Weder gibt es so etwas wie eine verdiente Watschn, noch hat es jemals gestimmt, dass eine anständige Schelle noch niemanden geschadet hat. Und schon gleich gar nicht ist es in irgendeiner Weise männlich, wenn Typen, die gerne mit nacktem Oberkörper auf Pferden reiten, den kleineren Nachbarn angreifen weil sie denken, die dickeren Panzer zu haben. Etwas ist eindeutig verrutscht in den letzten Wochen. Liebe Männer, reißt euch mal alle wieder zusammen. Jede Form körperlicher Gewalt, egal ob im Kleinen wie bei einer Watschen, oder im Großen, sollte endgültig auf die Müllkippe der Vergangenheit entsorgt werden. Mir selber ist es schon zuwider, in dieser Kolumne verbale Watschen austeilen zu müssen. Vielleicht schaffen wir es wieder, künftig unsere Konflikte diplomatisch und gewaltfrei zu lösen. 

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