Die Legende von der seligen Nachtruhe

Eltern träumen davon, endlich eine ganze Nacht durchschlafen zu dürfen. Ratgeber und Tipps, wie es gelingt, die Kinder zum süßen Schlummern in den eigenen Federn zu bewegen, gibt es wie Sterne am Nachthimmel. Auch der Anfangsruhm des Elterntagebuches gründete sich auf hanebüchenen Behauptungen wie „Unsere Kinder schlafen durch!“ Sieben Jahre später muss ich eine bittere Bilanz ziehen. 

Ja, unsere Kinder schlafen durch. Diese Behauptung durfte ich im Laufe der letzten Jahre immer wieder aufstellen. Leider handelte es sich um viel zu kurze Phasen, die in unserer Erinnerung wie glückselige Momente des puren Himmels auf Erden erscheinen. Um ehrlich zu sein, gab es schon so zwei, drei Nächte, in denen wir am Stück durchschlafen durften. Meistens dann, wenn die Kleinen bei Oma und Opa übernachteten. Bis heute spielen sich Nacht für Nacht Dramen unterschiedlichster Art ab. Während das große Kind gottlob tatsächlich nur noch bei Gewitter oder Geisterbesuch im Schlafzimmer steht, lässt sich Kind 2 weder von Bestechungen, Zielvereinbarungen oder sich schlafend stellenden Eltern davon abhalten, mehrmals pro Nacht die Schlafstatt zu wechseln. Eine Weile nutzte er dazu einen sensationellen Ninja-Modus und wir merkten erst am Morgen, dass wir zu Dritt aufwachten. Diese rückblickend sehr rücksichtsvolle Zeit ist leider auch vorbei. Entweder es ertönen aus dem Kinderzimmer mitternächtliche empörte Forderungen. Oder wir hören jenes gefürchtete Geräusch, das wir inzwischen mit dem Ende aller erhofften Zweisamkeit assoziieren. Ein dumpfes „Bonk!“, wenn das Kind von der dritten Sprosse des Stockbettes geräuschvoll auf den Boden springt.

„Bonk!“, macht es und wir klammern uns zitternd und wimmernd aneinander. Nur noch wenige Sekunden. Man hört das Quietschen der Türen. Dann schleicht sich das Wesen um das Bett herum und checkt mit seiner Superkraft – einer Art Röntgenblick – auf welcher Seite des Bettes noch freie Kapazitäten zur Verfügung stehen. Beziehungsweise, wo die Mama liegt. Dort schläft es sich nämlich traditionell schöner. Alles kein Problem, mündete nicht jede Nacht in einem Ringen um die Bettdecke und der komfortabelsten Schlafposition. Und zerknautschten, verschlafenen Gesichtern und Rückenschmerzen bei den Eltern am Morgen.

Neulich machte es nachts wieder „Bonk!“ und es passierte etwas wahrhaft Sensationelles. Mit weit aufgerissenen Augen erwartete ich mein Kind. Das Kind erschien nach einer etwas länger als erwarteten Zeitspanne. Und es trug etwas bei sich. Etwas Großes: Die klappbare Gästematratze! Reglos beobachtete ich, was passierte. Leise, um uns nicht zu wecken, breitete er die Matratze vor unserem Bett aus. Anschließend huschte er zurück in sein Zimmer. Es machte wieder „Bonk“ und kurz darauf kam unser Kleiner mit einem Kissen und der Kinderbettdecke zurück. Verwundert sah ich ihm zu, wie er sich wieder aus dem Schlafzimmer schlich. Nach einer Weile hörte ich das nächste „Bonk!“ und schon kehrte das Kind, mit einer Handvoll Kuscheltieren im Arm, zurück in unser Schlafzimmer. Sorgfältig platzierte er das halbe Dutzend Kuscheltiere in der neu geschaffenen Schlafstatt und kuschelte sich schließlich selbst unter die Decke.

Am nächsten Morgen wachten wir alle Drei total ausgeschlafen auf und der Kleine grinste uns triumphierend an: „Ich hab‘ euch nicht aufgeweckt!“

Siebeneinhalb Jahre sind vergangen, seitdem wir das letzte Mal regelmäßig früh morgens ausgeschlafen und frisch wie das blühende Leben ausgesehen haben. Wir haben gute Hoffnung, dass auch dies nur eine Phase ist und es sich in naher Zukunft wieder ändert. Also in circa fünfzehn Jahren. Auch wenn eines der Kinder bereits angekündigt hat, dass er für immer bei uns wohnen bleibt.

Um diesen Elterntagebuch-Eintrag nicht mit reißerischen Schlafzimmer-Geschichten enden zu lassen, hier noch eine kleine Anekdote der sich entwickelnden Rhetorik unseres Zweitklässlers:

Letztens fragte Mittag die Mama die Kinder: „Was soll ich denn heute kochen?“

Das Kind: „Wie wäre es mit Spaghetti Bolognese?“

Die Mama beginnt zu kochen und serviert eine Stunde später dampfende, frische Spaghetti Bolognese.

Das Kind: „Danke Mama, aber ich will lieber was anderes.“

„Wie bitte? Aber du hast doch gesagt, dass du Spaghetti Bolognese willst!“

Das Kind schüttelt den Kopf. „Nein, Mama. Du hast gefragt, was du kochen sollst und ich habe dir einen Tipp gegeben. Ich habe nicht gesagt, dass ich es auch essen will.“

Von dieser Logik hoffnungslos in die Knie gezwungen plant die Mama seitdem eine Karriere als Anwalt für den Kleinen.

 

Wie geht es euch eigentlich? Schlafen eure Kleinen inzwischen durch?

Zu Gast bei "Enzensberger und Berger"

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Ich durfte als Gast über meine Buch-Projekte und natürlich auch über das Elterntagebuch plaudern. Hört doch einfach mal rein!

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