Zum Hamstern mit oder ohne Maske?

Auf meinem Einkaufszettel stand letzten Samstag tatsächlich „Rapsöl“. Ja, ich konnte es selber kaum fassen. Ist bei uns der Wohlstand oder der Größenwahn ausgebrochen? Weiß doch jedes Kind, dass sämtliche pflanzlichen Öle neben Gold und Kryptowährungen heutzutage die die angesagteste Kapitalanlage sind. Oder wird damit etwa – was ja quasi dasselbe ist, getankt?

Ich bin diesbezüglich inzwischen ratlos bis verwirrt. So oder so, es gibt kein Rapsöl mehr. Lange Zeit war ich vom Zwang, auf Vorrat einkaufen zu müssen, sprich, zu hamstern, nicht betroffen. Zu Beginn der Corona-Zeit ernährten wir uns vegan und unser Tofu-Regal war immer voll. Klopapier braucht man nur, wenn die sanitären Anlagen keine Bidet-Funktion eingebaut haben. Und Pflanzenöl? Im Keller standen 15 Liter Olivenöl. Aber die sind inzwischen auch aufgebraucht. Also fuhr ich früh am Morgen zum Einkaufen. Mit dem Auftrag, 1 bis 10 Flaschen Rapsöl einzukaufen. Beim Betreten des Supermarktes war jedoch nicht mehr die verzwickte Einkaufsliste mein größtes Problem. Ich hatte meine Maske vergessen. Also wieder zurückfahren? Engelchen und Teufelchen flüsterten mir ein, dass man ja keine Maske mehr brauche. Aber, dass man nur mit Maske auch andere schütze. Aber die anderen sich ja selbst schützen können, indem sie eine Maske aufsetzen! Während ich hin und her überlegte und bereits Einkaufswägen voller Rapsöl den Laden verließen, stapfte ich zielstrebig auf den Eingang zu. Ohne Maske. Ein erstes Mal seit zwei Jahren atmete ich wieder Supermarktduft ein. Sofort bereute ich es, dass ich die Maske nicht geholt hatte. Weniger wegen der mannigfaltigen Dufterlebnisse. Mehr, weil ich der einzige war, der unmaskiert seinen Wagen Richtung Pflanzenölregal schob. Es war zwar schön, dass alle mein entschuldigendes Lächeln sehen konnten. Aber die mahnenden Blicke ließen erahnen, dass unter den Masken meiner Gegenüber die Mundwinkel regungslos geblieben waren. Aha, der Lauterbach-Ultra ist jetzt zu den Querdenkern übergelaufen, meinte ich es, an der Wursttheke tuscheln zu hören. Beschämt kämpfte ich mich zum Pflanzenöl-Regal vor. Das war natürlich leer. Ich setzte meinen Walk of Shame fort und eilte rasch Richtung Kasse. Statt Rapsöl hatte ich eine 25-er Packung FFP2-Masken im ansonsten leeren Wagen. Zurück beim Auto setzte ich mir rasch die frisch gekaufte Maske auf. So betrat ich ein zweites Mal den Supermarkt. Diesmal aber mit breiter Brust und strahlendem Lächeln. Auch wenn niemand mein Lächeln sehen konnte. Rapsöl gab es übrigens auch beim zweiten Nachschauen noch immer nicht.

Der Traunsteiner Autor Bernhard Straßer berichtet in seiner Kolumne alle zwei Wochen in der "Hallo Nachbar" über seinen "Alltag in Weißblau". Alle Beiträge findest Du hier: https://www.chiemgauseiten.de/bernhard-strasser/mein-alltag-in-weissblau/

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