Die WM und Katarrh

Ja mei, früher war alles ganz einfach. „Burschen, geht’s raus und spuits Fußball!“ Mehr musste unser damaliger Kaiser Franz seinen Spielern nicht mit auf dem Weg geben, um später Weltmeister zu werden. Als er sich später für uns in Katar vergewisserte, ob dort tatsächlich Sklaven auf den WM-Baustellen arbeiteten, war sein Lichtgestalt-Status längst verblasst. Und alles fing an, undurchsichtig zu werden.

Es gibt für einen ganz einfach gestrickten Bildungsbürger dieses Jahr keinen einzigen triftigen Grund, die WM anzuschauen. Gut, den gab es schon vorher nicht. Aber die ganzen Diskussionen um Menschenrechtsverletzungen, mafiöse Strukturen, Homophobie und „One Love“-Binden hat gezeigt, dass der Fußball endgültig einen Kippunkt erreicht hat. Das Klima ist kälter geworden. Ja, geht es denn inzwischen nur noch um’s Geld? Leider ja! Natürlich war es deshalb für mich klar wie Knorrs Kloßbrühe, dass ich diese WM boykottieren werde! Egal, wie weit die Deutschen kämen, ich würd mir den Mund zu halten und denken: „Ist mir doch scheichegal!“ Aber dann hat es mich doch erwischt. Nicht das Fußballfieber, sondern ein klassischer Katarrh! Erst lagen meine Jungs flach. Und dann Ich. Und, ganz ehrlich, wenn man krank daheim das Bett hütet, dann kann es schon mal sein, dass man auch das absurdeste Fernsehprogramm anschaut. „Katar – Ecuador“ beispielsweise. Im Halbdelirium des Katarrhs ist es selbst einem kritischen Geist auf einmal Wurst, ob „Sturm der Liebe“ über den Bildschirm flimmert, oder „Dänemark gegen Tunesien“. In anderen Worten: Statt die WM zu boykottieren, haben wir uns eine Überdosis WM zugeführt. Mit der Wärmflasche im Schoß und dem Fieberthermometer im Mundwinkel schimpft es sich auch recht leicht auf die Herren Millionäre, die nicht mal die Eier haben, ein regenbogenähnliches Zeichen zu zeigen. Natürlich will ich den Katarrh nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ist es krank, dass ich mich tagelang wie Schlotterbeck gar nicht erst gegen die WM wehrte? Ich tat’s doch nur den Kinder zuliebe, redete ich mir ein. Die können nichts für ihre Liebe zum Fußball. Und waren noch gar nicht geboren, als die WM an Katar vergeben wurde. „Der liebe Gott freut sich über jedes Kind“, hat doch auch mal jemand gesagt. Ja, ist denn heute schon Weihnachten? Ich glaube, ich habe meinen argumentativen Faden längst verloren. Was wollte ich eigentlich sagen? Wirken die Medikamente endlich? Einigen wir uns einfach darauf: Schuld an allem, was im Fußball inzwischen schiefläuft ist einzig und allein: Der Katarrh!

Außerdem in dieser Ausgabe der Hallo Nachbar:

In der Hallo Nachbar Ausgabe vom 7. Dezember 2022 bespricht Sandra Schwaiger-Pöllner meinen neuen Roman Falko.

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