Verzicht und Fastenzeit

Kolumne Bayern Hallo Nachbar
Mein Alltag in Weißblau - Verzicht und Fastenzeit

Vor fünfhundert Jahren da war das Leben in Bayern noch ganz einfach. Es gab jeden Tag dasselbe zum Essen; so lange es hell war, wurde gearbeitet und niemand klebte sich protestierend vor die Fuhrwerke. Weil es nämlich noch keinen gescheiten Kleber gab.

Die Forderung von Tempolimit 100 und bezahlbaren ÖPNV waren ebenfalls noch Utopie, da die überwiegende Mehrzahl der Gefährte exakt 1 PS hatte. Dennoch wurde schon damals lautstark zum Verzicht aufgerufen. Und zwar verstärkt während der Fastenzeit. Damals waren es aber nicht die Grünen, die einen Veggie-Day einforderten, sondern es war die katholische Kirche, die gleich 40 Veggie-Tage abverlangte. Doch Not macht erfinderisch und den Legenden nach verdanken wir der Fastenzeit so beliebte Speisen wie die Maultasche (weil der Liebe Gott nicht gesehen hat, dass in der Teigtasche Fleisch versteckt ist), den Aschermittwochs-Steckerlfisch (Fisch zählt als vegetarisch, oder?) und natürlich das Starkbier. Denn ohne eine erhöhte Dosis des nach bayerischem Reinheitsgebot gebrauten Gerstensaftes hätte man die Fastenzeit gar nicht ausgehalten. Ja, wie einfach das Leben damals war. Heute schaut das natürlich ganz anders aus. Auf was verzichtet man nämlich, wenn man sowieso das ganze Jahr über kein Fleisch und auch keinen Fisch mehr isst? Richtig: Man verzichtet bis Ostern darauf, Alkohol, sprich Starkbier, zu trinken. Ja, ich höre schon, wie sich die ersten Leser*innen entsetzt die Hand vors Gesicht schlagen. Wie kann man denn nur unser schönes bayerisches Brauchtum derart verzerrt ins Gegenteil verdrehen? Aber auf was soll ein Vegetarier in der Fastenzeit denn sonst verzichten? „Auf den Fleischboykott!“ höre ich die Antwort von den Starkbierbühnen der Brauereien heruntergebrüllt. „Die sollen wenigstens in der Fastenzeit eine Schweinshaxe fressen! Fastenzeit soll schließlich wehtun!“ Ja, die Fastenzeit war noch nie leicht für uns. Früher fiel das Fasten nicht gar so schwer, weil es ja sowieso so gut wie nichts Gescheites zum Essen gab. Heute sind die Versuchungen einfach immer und überall. Eine Weile bin ich in der Fastenzeit endgültig zum Öko-Fundamentalisten geworden und habe versucht, dem Klima zuliebe 40 Tage lang vegan zu leben. Leider steckt im Wort „Fastenzeit“ das Wort „fast“. Ich habe es nur fast geschafft. Als ich eines unseligen Tages in einer Heißhungerattacke fünf Stück regionaler Bio-Eier in mich hineingeschlungen habe war klar, dass ich als Veganer so viel Vorbildfunktion habe wie unsere Klimakleber in Thailand. Nächstes Jahr verzichte ich lieber aufs Fasten. Da bin ich sicher, dass ich es hinkriege!

Mein Alltag in Weißblau - Die Hallo-Nachbar-Kolumne

Mein Alltag in Weißblau Verzicht und Fastenzeit
Hallo-Nachbar-Kolumne

Kommentar schreiben

Kommentare: 0