
Eigentlich hätte die heutige Ausgabe meiner Kolumne "Einigkeit und Rechts und Freiheit" heißen sollen. Aber seien wir uns mal ehrlich. Wer hätte die denn freiwillig gelesen? Also schreibe ich lieber über eine enttäuschte Liebe:
Als ich 11 Jahre alt war, schwebte ich auf einer Wolke des Glücks. Etwas Unglaubliches war passiert. Und obwohl ich noch ein Kind war, wusste ich bereits: Das könnte das Größte sein, was ich in meinem Leben erleben würde. Die Berliner Mauer war gefallen. Seit jeher hatte ich einen seltsamen Soft-Spot für die Menschen des östlichen Nachbarlandes, das sich "demokratische" Deutsche Republik nannte. Als kleines Kind hatte ich nie verstanden, warum Deutschland geteilt war. Nun, als älteres Kind, feierte ich die Wiedervereinigung in dem naiven Glauben, dass ab jetzt alles gut sein würde.
Die Jahre sind vergangen. Wir sind älter geworden. Menschen aus Ost und West haben Freundschaften geschlossen, gemeinsam viele Tage der Deutschen Einheit gefeiert und den Triumph der Demokratie gewürdigt. Doch wie in so vielen großen Lieben, sind auch wir nach unserer pompösen Hochzeit eines Tages als altes Ehepaar aufgewacht und haben uns gefragt, ob wir eigentlich noch zueinander passen. Ob es vielleicht eine Alternative zum Partner gegeben hätte. Zwei Ehepartner, die keine schlechten Jahre hinter sich haben – im Gegenteil. Aber mindestens einer scheint das Vertrauen in die Institution Ehe verloren zu haben und verpasst ihr bei jeder Gelegenheit einen Denkzettel.
Bevor ich mich in Metaphern verliere und meine Frau sauer wird, komme ich lieber zur Sache: Ich bewundere die Menschen im Osten für vieles. Diejenigen, die ich näher kennenlernen durfte, haben sich als großartige Menschen und inspirierende Freunde erwiesen. Doch ich werde es nie ganz verstehen, wie so viele Wählerinnen und Wähler dort eine gesichert rechtsextreme Partei zur stärksten politischen Kraft machen können. Als wären die simplen, plakativen Lösungen dieser Partei wirklich eine Alternative für Deutschland.
Ich hoffe, dass es bei uns in Bayern nie so weit kommt, allein schon, weil wir zu sehr "mia san mia" sind, um den Ostdeutschen (oder auch den Österreichern) diesen Unsinn nachzumachen. Die Deutsche Einheit war einst, auch wenn das manche vergessen haben oder vergessen wollen, ein Sieg der Demokratie über einen Unrechtsstaat. Es schmerzt, dass so viele Menschen im Osten mit dieser Demokratie so unzufrieden sind, dass sie ihr Wahlrecht nutzen, um diese in Gefahr zu bringen.
Ist das Verhältnis zwischen mir und dem Osten, zwischen dem Osten und der Demokratie, eine enttäuschte Liebe? Nein! Ich selbst sollte endlich meine voreingenommene Sicht ablegen und anerkennen, dass mehr als zwei Drittel der Menschen im Osten noch immer demokratische Parteien aus Überzeugung wählen. Genau das brauchen wir jetzt – in Bayern und darüber hinaus: Ein wenig mehr Optimismus, ein wenig mehr Tatkraft und das Vertrauen, dass wir das schon schaffen.
Die KOlumne gibt es übrigens auch in den Salzburger Nachrichten nachzulesen:
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