Schwindeleien in der Fastenzeit

Seien wir uns mal ehrlich: Wer ist wirklich ehrlich während der Fastenzeit? Wenn es um Selbsttäuschung und kleine Schwindeleien geht, dann erleben diese während der sechs Wochen in der Fastenzeit ihren absoluten Höhepunkt. 

Das geht schon bei der Fastenzeit an sich los. Diese soll in Anlehnung auf diverse 40-tägige Bibelereignisse exakt 40 Tage dauern. Man muss nun weder Theologie- noch Mathematikexperte sein, um festzustellen, dass ab Aschermittwoch der Ostersonntag mehr als 40 Tage entfernt ist. Und hier geht der Fastenschwindel schon los: Die Sonntage sind – das hatte Papst Gregor festgelegt – vom Fasten ausgeschlossen. Wie praktisch. Es ließen sich noch mehr Schwindeleien finden: Schwäbische Mönche versteckten das Fleisch in einem Teigmantel vor den Blicken Gottes. Und erfanden so die Maultasche. Die Bayerischen Mönche, ebenfalls nicht blöd, besannen sich analog dem Sprichwort „Drei Bier, ein Schnitzel“ auf exzessiven Bierkonsum. Das flüssige Brot half den bis zur Besinnungslosigkeit fastenden Mönchen ganz neue spirituelle Ebenen zu erreichen. Und den Brauereien bis heute zur Starkbierzeit nicht nur Bier in Massen zu verkaufen, sondern dazu auch – tellerweise Hendl und Braten zu servieren. Denn heute fastet ja jeder individuell. Was den Charme hat, dass sich jeder seine eigenen Fastenregeln aufstellt und sich das persönliche strenge Fasten schönschwindeln kann. Ich faste beispielsweise heuer Chips, Kuchen und Schokolade. Habe aber schon am ersten Tag gemerkt, dass mir zum Kaffee eine Süßspeise fehlt. Und kurzerhand Apfelstrudel seine Kuchen-Eigenschaft abgesprochen, weil ja auch Obst drin ist. Auch meine Kinder dachten, sie seien besonders schlau: Da sie eh in einem Vegetarierhaushalt lebten, gelobten sie, diese Fastenzeit auf Fleisch zu verzichten. Das klappte die ersten Tage der Ferien gut. Bis sie am Wochenende die Oma besuchten und merkten, dass man bei einer gescheiten Oma alles sein kann - aber kein Vegetarier. Die Oma, ihrerseits mit großmütterlicher Schlauheit beschlagen, erklärte den Kindern, dass Fisch kein Fleisch sei. Das erinnerte beinahe an die kanadischen Pilger, die kurzerhand den Biber zum Fisch erklärten, um auch in der Fastenzeit saftiges Fleisch zu verzehren. Dann verzichte ich lieber nächstes Jahr auf was ganz anderes: Auf das Fasten.

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Kommentare: 2
  • #1

    Astrid (Sonntag, 11 Mai 2025 16:19)

    Bereits beim Hören des Wortes "Fasten" muss ich schmunzeln. Gesundheitsbewusste geben halbe Vermögen aus, um eine Woche zu fasten und entschlacken. Teuer bezahlter Verzicht. Nun, warum nicht? Ich muss mich jeweils mit Händen und Füssen wehren, wenn mich meine Freundin mit gutgemeinten und fürsorglichen Argumenten überzeugen will, sie nach Österreich zum Fasten zu begleiten.
    Aber unglaublich, als Kind (aus einer streng katholischen Familie) habe ich jeweils während der ganzen Fastenzeit alle meine Leckereien in einer Schublade aufbewahrt. Um dann alles an Ostern haltlos in mich reinzustecken. Zusätzlich zu den Schoko-Osterhasen und Ostereier. Bauchkrämpfe waren garantiert.

    Der Ernährung wird heute von Ärzten über Therapeuten, von Religiösen bis Über- und Untergewichtigen viel Bedeutung zugesprochen. Wie vielen Menschen ist jegliche Freude am Essen abhanden gekommen? Zu viel Fett! Zu viele Kalorien! Für mich verboten! Allergie! Zu proteinhaltig!
    Ernährung wurde zur neuen Religion. Und da ist bekanntlich wiederum alles erlaubt, vorausgesetzt, man kann es auf die eine oder andere Weise rechtfertigen.
    Tja, die Gelüste des Körpers sind immer noch stärker als die von Intellektuellen auferlegten Regeln.

  • #2

    Bernhard (Sonntag, 11 Mai 2025 17:22)

    Hallo Astrid, vielen Dank für Deine Gedanken. Ja, über das Thema Essen kann man ganze Kolumnen vollschreiben.
    Wer meinen Alltag in Weißblau schon längere Zeit mitliest, der weiß, dass mich beim Thema Essen und Ernährung drei Dinge - oft zu meinem eigenen Leidwesen - beschäftigen und einschränken: Gesundheit, Klima, Tierwohl. Und dann wird die Essens-Debatte endgültig kompliziert. Aber sonst wärs ja langweilig...