Sebastian und die Literaten

Sebastian kann nichts dafür. Er ist halt der Sohn eines Hobbyautoren und solange er noch keine Widerworte aussprechen kann, wird dieser Schreiber auch weiterhin über dessen Entwicklung berichten. Es kam für ihn aber noch schlimmer: Dieser Schriftstellerpapa in spe missbrauchte seine Elternzeit, um seine Familie zur Teilnahme an einer literarischen Arbeitswoche irgendwo in der Toskana zu nötigen. 

Sebastians erster großer Urlaub wird also für alle Zeit mit dem Namen "Barliano" umschrieben werden. Barliano ist eine winzige Ansiedlung hübscher Landhäuser in der Nähe von Anghiari. Einmal im Jahr trifft sich dort eine Gruppe angehender und etablierter Schriftsteller zum Schreiben und Schreiben lernen und um einen gewissen Wahnsinn zu pflegen. Die Tage laufen dabei folgendermaßen ab: Vormittags Theorie, danach Schreiben. Nachmittags kulturelle Ausflüge in das Umland. Abends Wein trinken, Essen, nochmal Essen, dazwischen wieder Wein trinken und irgendwann gibt es zur Nachspeise Grappa. Was macht aber ein knapp einjähriger während dieser Woche? Zunächst verfeinert er, sich der neuen Umgebung standesgemäß anpassend, sein Sprachgefühl: Neu hinzugekommen zu seinem Wortschatz sind ein schimpfendes "Glaglaglagla", das meist ausgesprochen wird, wenn Essen in Sichtweite, aber nicht schnell genug in seinen Mund gelangt. Desweiteren übte er sich in der philosophischen Frage "Wer bin ich?" und mühte sich redlich zu verstehen, dass er Sebastian ist. Mit mal mehr, mal weniger Erfolg. Bei einem "Sebastian, Nein!", fühlte er sich interessanterweise recht selten angesprochen.

Da ansonsten glücklicherweise nicht nur Schriftsteller, sondern auch Schriftstellertöchter zugegen waren, durfte Sebastian ein 24/7 Animationsprogramm genießen und war nach der Woche untröstlich, als das großartige Unterhaltungsprogramm wieder vorbei war. Ebenso begeistert war er von der italienischen Küche, Abend für Abend ging er erst ins Bett, wenn sein Mund aus einem tomatigen Soßenrahmen lachte und letzte Pastareste in seinem Gesicht baumelten.

Ach ja, ein historisches Großereignis fand in jener Woche auch noch statt und Sebastian hat daran regen Anteil genommen. Genau in dem Moment, in dem Arjen Robben das 2:1 für den großen FC Bayern erzielte und Sebastian Davids Namensvettern Schweinsteiger und Alaba nachträglich jenen Triumph ermöglichte, den er ihnen kurz vor Sebastian Davids Geburt noch verweigerte, wachte er erschrocken vom lauten Torschrei auf und fiel in das ekstatische Schreien mit ein. Doch schon als Bastian Schweinsteiger brüllend den Henkelpott in die Lüfte reckte, zeigte Sebastian ähnliches Desinteresse bezüglich des geschichtsträchtigen Triumphes wie die anwesenden Schriftsteller und schlief tief und fest weiter. Ausgeschlafen ging am nächsten Tag für ihn die Reise weiter nach Caorle, wo sich die Familie des Laienliteraten noch einige Tage am Strand von Literatur und Hochkultur erholen durfte. 

 

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