Sankt Martin vs. Bettler

In den Jahren zwischen dem 16. und dem 29. Lebensjahr dreht sich der 11.11. in der Regel um den Faschingsanfang. Bis kurz davor beziehungsweise danach tritt der Fasching seltsamerweise deutlich in den Hintergrund. Denn der 11.11. ist auch dem Heiligen Sankt Martin geweiht. Jenem Mann also der, wie wir heute ein erstes Mal bewusst feststellten, in Wirklichkeit ein RÖMER war!

Die Prozedur ist jedes Jahr dieselbe: Die Kinder sind seit Wochen aufgeregt und singen bereits seit Ende September Martinslieder. Selbst der Kleinste, der noch kaum reden kann, singt auf einmal vor sich hin: "Bum! Bum!" Jeder Martins-Experte weiß sofort, welches Lied er singt. Und der Papa testete es gleich: "Rabimmel Rabammel Rabumm...?" Und wie aus der Kanone geschossen kam die des Kleinen: "Bum! Bum!" Manche Dinge ändern sich auf Martinszügen auch 30 Jahre später nicht.

Auf dem Weg zum Kindergarten denken sich Papa und Mama neue Martinsbräuche aus: Warum hat sich eigentlich Halloween als Gruselfest durchgesetzt und nicht Sankt Martin? Dieser Bettler ist doch extremst gruselig. Und der Papa schwadroniert davon, wie in ferner Zukunft am Sankt-Martinsfest Horden von Bettlern in halben Mänteln durch die Gassen streunern, Sankt Martins zerteilen und es zugeht wie bei Walking Dead zum Staffelfinale.

Und schon ist man an der KiTa angekommen und es geht los: Man erkennt keinen der anderen Mamas und Papas, weil es so dunkel ist und alle vermummt sind, es ist stockfinster, dann findet man seine Kinder nicht mehr, die sich selbständig gemacht haben und hinter einem spielt die Blechkapelle so laut, dass man seine "Komm sofort zurück!" Rufe selber nicht hört. Aber es kann ja nichts passieren. Das ganze Kindergartenareal ist umzingelt von Erzieherinnen. Und die Feuerwehr ist auch da. Man fragt sich zwar warum, weil die letzten grob fahrlässigen Eltern, die ihr Kind noch mit echten Kerzen auf einen Martinszug geschickt hatten, wir Anno 2014 waren. Seitdem ist auch der Martinszug der Moosflitzer eine LED-Parade. Aber ohne Feuerwehr geht es nicht, schließlich muss ja die Strasse gesperrt werden und außerdem haben die das Mikrophon, durch das die Martinslegende vorgetragen werden kann. Das Martinsspiel ist eine der kritischsten Theateraufführungen jenseits der Festspielzeit. Denn bereits Tage vorher wird gemunkelt, wer dieses Jahr den Bettler macht. Und da jedes Baby weiß, was es von Sankt Martin und seinem Gaul zu erwarten hat, der Bettler spielt doch jedes Jahr anders. Dieses Jahr lobten die Kritiker die passive Zurückhaltung des von den römischen Besatzern in die Armut getriebenen Mannes. Eine sehr zeitkritische Darstellung.

Auch eine der großen Fragen der Martinsgeschichte konnte an diesem Abend geklärt werden: Was wäre eigentlich passiert, wenn Sankt Martin den Mantel nicht geteilt hätte? Das Lied "Sankt Martin war ein guter Mann", gesungen von der Hahngruppe, gibt in der letzten Strophe Auskunft: In älteren, fälschlichen Übersetzungen heißt es noch: "...sonst wär der Frost sein sichrer Tod!" Die neuere Martinsforschung hielt aber bereits in das Lied Einzug: Die Hahnkinder sangen nämlich: "...sonst kriegt er kein Nutellabrot!"

 

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