Stille Tage in München

Kolumne Alltag in Weißblau
Die ekstatische Meisterfeier des FC Bayern
Ganz stad ist es in München. Die Biergärten sind gut gefüllt, die Münchener genießen schweigend, übers Bier schwelgend das Leben. Nein, ich erzähle da keinen ganz normalen Tag in unserer Landeshauptstadt nach. Sondern einen der aufregendsten Fußballtage der letzten Jahrzehnte. 
Denn dort, wo die Einheimischen den Maßkrug bedächtig zum Mund führen, dort Mund und kühles Nass sich liebevoll vereinigen, dort drohen seit 11 Jahren Fans und Verein: „Deutscher Meister wird NUR der FCB!“ Während dort allerdings in der Stadt nichts davon zu bemerken ist, halten sich exakt 608 km nordöstlich hunderttausende Menschen entsetzt die Hand vor den Mund. Auch dort Mund:  schweigend. Allerdings aus anderen Gründen. Denn dort hoffen kolportiert 400000 Menschen sehnend, schwelgend, sich eben jenen Mund wund schreiend darauf, nach elf Jahren endlich wieder einen anderen Deutschen Fußballmeister feiern zu können, als den FC Bayern München. Das Spielglück wogt in den Stadien hin und her. Die Bayern hatten sich eine Woche zuvor bereits vom Titel mental verabschiedet, als Tausende enttäuschte Erfolgsfans die Arena verließen, anstatt ihr Team frenetisch anfeuernd noch aufzumuntern. Fußball ist wunderbar grausam. Zur Halbzeit ist Bayern auf Platz 1. Auf dem Marienplatz bauen sie irritiert vorsichtshalber die Absperrung für eine mögliche Meisterfeier auf. Doch auch das scheint obsolet, als die Bayern, so wie es der 
Durchschnittsanhänger eh erwartet hatte, die Führung doch noch aus der Hand gibt. Durch München weht ein milder Wind, es ist ungewöhnlich still in der Stadt, als um kurz nach fünf ein gellender 
Schrei durch die Stadt hallt. Musiala hat getroffen, Bayern ist doch noch Meister! Der Schreiende, der 
einzige im Viertel, der dort den Mund zum enthusiastischen Meisterschrei öffnet, ist mein Sohn. 
Ansonsten ein stiller Tag in München. Ein Autokorso, der aus einem einzigen Auto besteht, fährt hupend durch Sendling. Das war der Tag, als die Bayern das dramatischste Meisterschaftsfinale seit elf Jahren knapp für sich entschied. In der anderen Stadt, deren Namen echte Bayernfans kaum auszusprechen vermögen, dort wo jeder Mund nach dem Schlusspfiff schockstarrend stumm blieb, dort feiern 75000 Menschen frenetisch das Team, das die Meisterschaft verloren hat. Zeitgleich titelt die größte Boulevardzeitung: „Kahn: das ist der schlimmste Tag in meinem Leben!“ Mögen die schlimmsten Tage des FC Bayern nächstes Jahr die besten einer anderen Mannschaft sein. Denke ich mir und genieße weiter den stillen Tag in München.
Mein Alltag in Weißblau
Die Hallo-Nachbar Kolumne

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