Zirkus Corona Tag 20 – Mir ist so langweilig

 Keinen Satz habe ich die letzten Tage so oft gehört wie das langgezogene „Laaaangweilig!“ Egal, ob man die Kinder stundenlang beschult, egal ob man einen Morgenkreis veranstaltet, egal ob man sie in die Wunder des Tablets einweiht, sie Lego-Ninjago anschauen oder basteln lässt – es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Leo ein erstes Mal beklagt: „Mir ist so laaaangweilig!“

Langeweile. Unfassbar, wie relativ die Zeit tatsächlich empfunden wird. Was für uns Eltern die anspruchsvollste Zeit aller Zeiten ist, empfinden die Kinder tatsächlich als langweilig. Während wir unter dem täglichen Druck des Home-Schoolings, des Kinder – Bespaßens, des nebenbei auch noch Arbeitens kaum noch wissen, was für ein Wochentag eigentlich ist, ist den Kindern vor lauter Freizeit, Freiheit und alltäglich wiederkehrender Monotonie tatsächlich so langweilig, dass sie nicht einmal mehr wissen, was für ein Wochentag eigentlich ist.

Die ersten drei Tage dieser dritten Woche liefen nicht ganz so gut. Obwohl ich durch eine Spätdienst-Regelung erst ab neun mit der Arbeit beginnen brauchte, war ich bereits um 12 wegen der parallelen Beaufsichtigung des Hausaufgaben-Marathons so platt, dass ich mich nach meinem Büro sehnte. Auch die Telefonate mit Menschen, die gerade ihren Job verloren haben, verlaufen im Home-Office eher so semi-ideal, wenn zeitgleich ein Kind aus der Küche schreit: „Mir ist soooo langweilig!“ Heute kehrte ich also voller Vorfreude ins Büro zurück. Die Freude währte allerdings nur kurz. Die Mama hat die Grippe erwischt. Keine Angst, voraussichtlich nicht jener Virus an den wir alle beim Thema Halskratzen und Husten denken. Wie gewonnen, so zerronnen. Mittags also wieder zurück ins Home-Office.

 

Dazwischen aber einige hochinteressante Gespräche. Es verdichten sich die Hinweise, dass man eine Corona-Infizierung daran erkennt, dass man seinen Geruchssinn verliert. Zudem schreckte uns Eltern eine WhatsApp Nachricht auf, dass Söder die Sommerferien um drei Wochen kürzen will, um die entgangenen Schulstunden nachholen zu können. Während ich noch jubelte, das Home-Schooling sofort für beendet erklärte und mich auf die Sommerferien allein im Garten freute, stellte sich zumindest Letzteres als lupenreiner Aprilscherz heraus. Mist.

Happy Shopping in Zeiten wie diesen
Happy Shopping in Zeiten wie diesen

Kein Aprilscherz ebenfalls die aktuelle Corona-Zahl des Landkreis Traunstein: 315. Inzwischen befinden sich schon 35 in krankenhäuslicher Behandlung. 10 in Intensivbehandlung. Auch beim Einkauf spürt man längst den Ernst der Lage. Gestern trug ich ein erstes Mal meine neu erworbene Pohlig-Maske. Die Ersatz-Masken von Stattyoga ® waren noch in der Wäsche, die teste ich beim nächsten Mal. Das zweitbeste beim Supermarkt-Besuch: Ich war nicht der einzige mit Masken. Einige der Verkäufer tragen inzwischen Masken. Auch der Metzgereifachverkäufer. Großartig! Was das allerbeste war? Ich war der letzte Kunde am Dienstagabend. Und es gab noch zwei Packungen Klopapier! Ich konnte also ohne schlechtes Gewissen und ohne Hamster-Shaming eine mitnehmen. Mann, was wurde daheim gefeiert!

Eine der größten Seltsamkeiten habe ich heute vor der Arbeit beobachtet. Ein Mann durchsucht – angeblich jeden Tag – die Aschenbecher vor dem Haus. Wenn er eine noch brauchbare Zigarette findet, nimmt er sie mit. Der Mann war eindeutig über 60. Corona-Risikogruppe. Ob er auch der Risikogruppe der Raucher angehörte, ließ sich nicht gänzlich ausschließen. Wäre es nun meine Bürgerpflicht gewesen, hinaus zu gehen und ihn aufzuklären, wie sich dieses Virus, von dem jeder spricht, überträgt? Oder ihm eine frische, unbeleckte Packung Zigaretten zu spendieren? Vielleicht schenke ich ihm morgen ein Exemplar von „Endlich Nichtraucher – Corona Edition“

 

Mit unserem Leo, dem den ganzen Tag so langweilig ist, schloss ich gestern noch einen Deal. Er wollte sich, genau wie sein Bruder, von seinem Taschengeld eine Lego Ninjago-Packung bestellen. Da Leo noch über kein Taschengeld verfügt, lehnte ich ab. „Was muss ich tun, dass ich auch ein Päckchen bestellen darf?“, fragte er und schlug vor: „Drei Tage brav sein?“ Seit wir uns kennen, hat es Leo noch keine drei Stunden geschafft, ohne nicht brav zu sein. Also nickte ich. Leo strahlte. Dann begriff er, auf was er sich eingelassen hatte. „Zwei Tage?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Dann strahlte er wieder: „Wie lange muss ich brav sein, damit ich zwei Päckchen bestellen darf?“ „Sechs Tage!“ „Und drei Päckchen?“ „Neun Tage!“ „Ok, Papa!“, sagte Leo. „Ich bin jetzt neun Tage lang brav. Darf ich jetzt die drei Päckchen bestellen?“ Als ich ablehnte, polterte das Haus noch eine Weile von dem heftigsten Tobsuchtsanfall, den unser Kleiner seit langem feilgeboten hatte. „Das ist so langweilig!“, schimpfte er. Das mit dem drei Tage brav sein hatte keine drei Minuten geklappt…

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