Zirkus Corona Tag 24 – Der Rebell

 

Um den sanften Einzug anarchistischer Tendenzen Einhalt zu gebieten, dachten wir uns, böte sich die Einführung eines Fernseh-Gutscheines an. Wenn sich die Kinder durch ungewöhnliches Brav-sein oder außergewöhnlicher Leistungen im Haushalt auszeichneten, sollten sie mit einer halben Stunde Fernseh-Genuss der Sendung ihrer Wahl belohnt werden. Gleich am ersten Tag der neuen Regelung gelang es dem Kleinen, in einer neuen Sturkopf-Bestleistung acht Stunden lang den Willen beider Eltern zu boykottieren. 

 

So eine Ausgangs-Beschränkungs-Krise könnte ja so schön sein. Am Wochenende das Haus oder den Garten auf Vordermann bringen und anschließend entspannt auf der Terrasse oder dem Balkon ein Buch lesen und in den Sonnenuntergang blinzeln. Dazu darf man einerseits aber keine Nachrichten anschauen. Und man sollte idealerweise auch keine Kinder haben. Unser jüngstes Kind hatte am Samstag zwei relativ simple und gar nicht so ungewöhnliche Tagesaufgaben: Sich anziehen; und sein Zimmer aufzuräumen. Erst dann dürfe er das schöne Wetter nutzen und im Garten spielen. Allerdings haben wir einen Freigeist zu Hause, der beide Tagesaufgaben als „öde“, wenn nicht sogar „langweilig“ empfand und wieder einmal seine Ausdauer bewies, seinen eigenen Willen durchzusetzen. Acht Stunden lang wurde erklärt, argumentiert, gedroht, geschrien, geweint. Das Kind wollte sich nicht anziehen. Und das Zimmer aufräumen schon gleich gar nicht. Kurzzeitig lag er sogar lesend im Bett und grinste die Eltern an: Wer hält wohl länger durch: Ihr oder ich? Der Nachmittag endete so, dass fast das gesamte Spielzeug aus seinem Zimmer konfisziert und versteckt wurde. Das Zimmer war also aufgeräumt. Das Kind lag immer noch grinsend im Schlafanzug im Bett. Als sich der junge Herr nach achtstündiger diplomatischer Krise bei der Mama entschuldigte, fragte er mit leuchtenden Augen: „Kriege ich jetzt den Fernsehgutschein?“ „Warum?“, schrie die Mama beinahe. „Du warst doch nicht brav!“ „Doch!“, erklärte er, „aber ab jetzt bin ich brav!“

 

Traunstein erlebte heute den ersten wundervoll sonnigen Frühlingstag. Mein täglicher Spaziergang führt mich meistens rund um das Krankenhaus. Es ist schwer, sich auszumalen, was dort drin wohl vor sich geht, während sich draußen die Welt sich scheinbar weiter dreht wie bisher. 466 bestätigte Corona-Fälle hat der Landkreis inzwischen. Unverändert 11 Patienten sind in intensivmedizinischer Behandlung.

 

Aufgefallen ist mir heute, dass neben allen offiziellen „Spielplätzen“ sogar die Senioren-Trimmgeräte im Park am Wochinger-Spitz gesperrt sind. Dennoch gibt es einen privaten Wald-Spielplatz, der noch immer in Betrieb ist. Da nur ein paar Kinder dort waren und alle Kinder die Infektionsschutz-Regeln eingehalten haben und es zu schön war, eine halbe Stunde lang strahlende Kindergesichter zu sehen, werde ich natürlich nicht verraten, wo der ist – falls das Gesundheitsamt mitliest. Ich musste an meine Kindheit im Dorf denken: Da haben wir auch immer im Wald gespielt und nicht einmal Tschernobyl konnte mich davon abhalten, Schwammerl suchen zu gehen (Die Mama hatte trotzdem geschimpft)

 

Highlight des Tages heute war eine Online-Meditation mit Diana Sans. Während wir die Meditation mit der kompletten Familie starteten, verabschiedete sich Leo nach wenigen Minuten. „Langweilig!“ Irgendwann hörten wir ihn, mit jemanden sprechen. Er erzählte so krude Geschichten, dass ich es erst für ein Spiel hielt. Er erzählte, dass wir nun eine Putzfrau hätten. Eine Putzfrau, die man an die Steckdose anstecken könnten und die Mama müsste nun nie wieder putzen. Und die Mama mache gerade Yoga. Aber Yoga sei ja gar kein richtiger Sport. Während Diana Sans uns weiter in die Meditation schickte, lugte ich nach draußen, mit wem er da wohl sprach: Leo war auf die Bank geklettert und ratschte über den Gartenzaun mit unserer Nachbarin. Da half die ganze schöne Mediation nichts. Wir bekamen kurz einen heftigen Lachanfall...

 

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