Zirkus Corona Tag 26 – Video-Telefonie

 

Während euer analog und linear denkender Elterntagebuchschreiber noch immer mit der Krise fremdelt, hat der Rest der Familie sich inzwischen die Segen der Digitalisierung zu eigen gemacht. Während die Mama bald mehr Zoom-Mädelstreffen veranstaltet als Live-Yogastunden, haben nun auch die Kinder die Video-Telefonie entdeckt. Gestern und heute haben beide Kinder nach über drei Wochen endlich wieder einen ihrer Schul- bzw. Kindergartenfreunde gesehen. So schräg die Telefonate auch verliefen, es war richtiggehend rührend, den Kindern zuzuhören.

 

Da Bastian gestern eher wortkarg, weil krank war – keine Sorge, auch er hat nur eine profane Mandelentzündung – dachte ich erst, dass ein Video-Call wenig Sinn macht. Bastians Schulfreund hat seinerseits offensichtlich etwas mehr Erfahrung und lieferte eine grandiose einstündige Entertainment-Show. Als ich selbst irgendwann erstaunt war, welche Snapchat-artigen Effekte er in einen Whatsapp Videoanruf zauberte, ließ ich mich interessiert aufklären: Er nutzte parallel eine Nintendo Switch. Im Endeffekt war es gar kein Videocall, sondern eher eine Twitch-Session. Die Kinder schauten sich gegenseitig beim Super Mario spielen zu. Etwas analoger verlief Leos Skype-Konferenz heute. Nachdem sie sich eine Viertelstunde lang Worte zuriefen, die allesamt etwas mit „Kaka“ oder „Pimmel“ zu tun hatten, trug Leo schließlich das I-Pad in den Garten und stellte es in den Hasenstall. Den restlichen Anruf über wurde die Video-Konferenz um die beiden Hasen erweitert.

 

Auch ich selber mache jeden Tag neue Erfahrungen. Während der Skype-Schulung zum Thema Kurzarbeitergeld war ich ausnahmsweise nicht derjenige, der sich am dämlichsten anstellte. Die einen ließen acht Stunden lang das Mikrofon laufen – inklusive Kaffeetassengeklapper und Telefonanrufe, die live an 28 andere übertragen wurden. Andere waren stolz, dass sie sich immerhin per Telefonie einloggen konnten. Was allerdings bei einer Video-Präsentation eines IT Programmes eher semiproduktiv war. Auch die Mitteilung einer Teilnehmerin, dass ihre Tochter gerade gekotzt hätte, ließ mich behaglich seufzen und ich war froh, dass meine Kinder brav Youtube schauten…

 

Während sich also unser Alltag an die neuen Rahmenbedingungen anpasst, lernen wir auch jeden Tag etwas Neues über das Virus. In seinem Podcast hat sich Christian Drosten so weit aus dem Fenster gelehnt zu behaupten, dass die sogenannte Schmieren-Infektion über Oberflächen so selten ist, dass sie forschungstechnisch zu vernachlässigen sei. Meine Panik vor Einkaufswägen ist also unbegründet. Zumindest zum Teil. Andere Viren und Bakterien verbreiten sich ja nach wie vor gerne darauf. Während Drosten viel von Schutzmasken und vom Handy-Tracking hält – was ja seit heute offiziell vorgestellt wurde – fährt Kekule eher die harte Linie. Von ihm stammt also die Aussage, dass sich 50 % der Deutschen irgendwie infizieren sollen und dass man am besten bei den jungen Menschen, also Schülern anfangen sollte. Die Bild-Zeitung hat letztens ihrem Ruf wieder alle Ehre gemacht und herrlich boulevardesque gefragt, welchem Virologen die Deutschen am meisten vertrauen. Deutschland sucht den Supervirologen!

 

Kaum zu glauben, dass wir vor gut drei Wochen noch gedacht haben, die Corona-Krise ginge uns in Traunstein nichts an. 519 Fälle Stand heute. 14 in intensivmedizinischer Betreuung. 15 Todesfälle bisher. Und auch in der neuen Bewegungsdaten-Auswertung ist Traunstein super dabei. Also bei den Landkreisen, die am meisten die Ausgangsbeschränkung missachten. Liegt wohl daran, dass es einfach zu schön bei uns ist und die Berge und Radwege dazu einladen, einfach weiterzumachen wie bisher. Noch für die Chronik: Heute war zudem der Tag, an dem bekannt wurde, dass Boris Johnson inzwischen auf die Intensivstation eingeliefert werden musste.

 

Unser Alltag wie gehabt: Home-Office, Home-Schooling. Am Nachmittag kommt eine Lieferung vom Hagebaumarkt. Die beiden Auslieferer sind gut gelaunt. „Braucht ihr Klopapier?“

 

„Immer doch! Wieso?“

 

„Unser Chef hat 45000 Rollen bestellt. Bei uns gibt’s genug!“

 

Es lebe der Hagebaumarkt!

 

Was beinahe untergeht: Am Sonntag ist tatsächlich Ostern! Wir hätten das beinahe vergessen, hätten die Kinder uns nicht einen Brief an den Osterhasen zugesteckt. Und was wünschen sich die beiden Kinder, die seit Wochen neue Rekorde des täglich geschimpft – werdens, nicht Hörens und nicht Folgens aufstellen? „Lieber Osterhase, ich wünsche mir entweder den Lego Ninjago-Raumgleiter. Oder, wenn der zu teuer ist, die Polizeistation. Gerne auch die kleine.“ Und da unsere Kinder vermutlich ahnen, dass es so etwas an Ostern normalerweise nicht gibt – und weil sie davon überzeugt sind, der Osterhase der Papa unserer Hasen ist und etwas Vitamin B nicht schadet, fügten sie noch hinzu: „…und schöne Grüße auch vom Luki und von der Polly!“

 

Das Corona-Elterntagebuch komplett nachlesen:

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